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9 Stunden Angst

9 Stunden Angst

Titel: 9 Stunden Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Kinnings
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regelmäßigen Abständen stieß er mit Schienbeinen und Fußknöcheln gegen Metall und zuckte vor Schmerz zusammen. Ein Regal, das Conor gerade beiseitegeschoben hatte, kippte zurück und traf Ed seitlich an der Stirn. Er schrie auf und spürte, wie sich eine pochende Beule bildete. Wenigstens lenkte ihn der Schmerz von der Zeit ab, die sie hier vergeudeten, Zeit, die vielleicht den entscheidenden Unterschied zwischen Leben und Tod Hunderter Menschen bedeutete.
    »Über das Ding müssen wir klettern«, sagte Conor.
    »Was ist das?«
    »Nur ein paar aufgestapelte … ach, scheißegal, das müssen Sie nicht wissen. Geben Sie mir den Karton.«
    Conor nahm ihm den Karton ab, und Ed streckte die Hand aus, um das Hindernis zu ertasten, über das er klettern sollte. Es fühlte sich an wie ein ganzer Berg aus einzelnen aufeinandergestapelten Regalelementen. Das oberste befand sich etwa auf Brusthöhe. Ed zog sich daran nach oben und kroch dann auf dem Stapel entlang. Conor war vor ihm und schob den Sprengstoffkarton vor sich her. Er hörte, wie die Pappe über das Metall kratzte.
    »Okay, hier können wir wieder runter«, verkündete der Ire. »Sieht aus, als wäre der Weg ab hier frei.«
    Ed hörte Conor vor sich auf den Boden springen und beeilte sich, ebenfalls vom Stapel zu klettern, wobei sein Hemd an mehreren scharfkantigen Metallelementen hängen blieb.
    »Wie weit sind wir schon gekommen, was meinen Sie?«, fragte Ed.
    »Ich habe keine Ahnung.«
    »Glauben Sie, dass Sie mit dem Entfernungsmesser zurechtkommen, den Frank uns gegeben hat?«
    »Nein.«
    »Laut dem Professor befindet sich die beste Stelle zweihundertzweiunddreißig Meter vom Schachteingang entfernt. Nehmen wir einfach an, wir haben bereits zweiunddreißig hinter uns gebracht, dann liegen jetzt noch zweihundert Meter vor uns.«
    »Wenn Sie das sagen.«
    »Geben Sie mir den Karton, dann können Sie beim Laufen die Taschenlampe halten. Aber passen Sie auf, dass ich nicht gegen eine Wand renne.«
    Conor gab ein belustigtes Schnauben von sich. Es klang, als fände er die Vorstellung recht verlockend, dass Ed in vollem Tempo gegen eine Tunnelwand prallte.
    Sie rannten los. Es war nicht leicht, beim Laufen den schweren Sprengstoffkarton in den schmerzenden Armen zu halten, doch Ed konzentrierte sich ganz darauf, die Entfernung abzuschätzen, die sie zurücklegen mussten. Sie hatten bereits viel zu viel Zeit verloren. Wenn sie Pech hatten, leiteten sie mit ihrer Sprengung das Wasser aus einem Tunnel voller Leichen ab.
    Wenn Ed zu Hause auf seinem Laufband rannte, beendete er sein Training stets mit einem kurzen Sprint, bei dem er geschätzte zweihundert Meter zurücklegte. Also stellte er sich einfach vor, er würde auf dem Laufband stehen und zum Schluss noch einmal voll an seine Grenzen gehen. Hin und wieder streifte er mit dem Hemdsärmel die Tunnelwand und justierte seinen Kurs. Conors keuchender Atem und seine schweren Schritte bildeten vor ihm eine unüberhörbare Orientierungshilfe.
    »Wie viele Meter haben wir geschafft, was glauben Sie?«, fragte Ed.
    »Es müssten jetzt ungefähr zweihundert sein. Ich bin dafür, dass wir hier unser Glück versuchen.«
    Sie blieben stehen, und Ed stellte den Karton auf den Boden.
    Conors Kniegelenke knackten leise, als er sich neben den Karton kniete und die Klappen öffnete. »Ich nehme das ganze Zeug.« Es war keine Frage. Conors Entschluss stand fest.
    »Wenn Sie das für richtig halten.«
    »Ja, tue ich.«
    Conor klang immer noch genauso feindselig, aber jetzt lag auch eine neue Dringlichkeit in seiner Stimme. Er murmelte und fluchte leise vor sich hin, während er Gegenstände aus Plastikfolien wickelte und sich an die Arbeit machte.
    »Was tun Sie gerade?«, fragte Ed.
    »Ich backe einen verdammten Kuchen! Was denken Sie denn?«, entgegnete Conor. Dann seufzte er und sagte: »Ich drücke den Sprengstoffklumpen gegen die Wand und verbinde ihn dann mithilfe von Elektroden mit dem Zünder.«
    »Dauert es noch lange?« Ed gab sich keine Mühe, seine Ungeduld zu verbergen.
    »Wenn Sie endlich den Mund halten, geht es schneller.«
    Ed stand da und wartete, während Conor auf dem Boden herumhantierte. Sie waren bestimmt schon zehn Minuten hier, vielleicht sogar zwölf. Ihre Schätzung bezüglich des idealen Orts für die Sprengung war mehr als ungenau, und Conor schien keine Ahnung zu haben, wie viel Plastiksprengstoff man brauchte, um eine Tunnelwand zu durchschlagen. Fest stand, dass nur wenige Meter von ihnen

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