9 Stunden Angst
anscheinend genau, was sie taten, als sie diese Stelle für ihren, äh … Angriff auswählten.«
»Wenn Sie im Handumdrehen sagen, von welcher Zeitspanne sprechen wir dann?«
»Nun ja, dazu müsste ich ein paar Zahlen durchrechnen, was ich gerne tue, wenn mir jemand einen Computer zur Verfügung stellt.«
»Natürlich, sehr gern. Können Sie mir in der Zwischenzeit mit einer groben Schätzung aushelfen? Würde der Tunnel innerhalb eines Tages volllaufen? Eines halben Tages? Einer Stunde?«
»Ach herrje, das wäre reine Spekulation. Ich weiß wirklich nicht, ob ich …«
»Sprechen wir eher von einem Tag oder von einer Stunde?«
Ed vermutete, dass Moorcroft den Kopf schüttelte, weil er noch nicht mitbekommen hatte, dass sein Gegenüber blind war.
»Ich muss Sie leider zu einer Antwort drängen«, sagte Ed. »Es ist wirklich ungeheuer wichtig.« Er konnte die Verzweiflung und Dringlichkeit in seiner Stimme nicht länger unterdrücken.
»Tja, im schlechtesten Fall würde es ab Beginn der Flutung etwa zwei Stunden dauern, bis der Tunnel voll wäre. Und im besten Fall … hm, ich weiß nicht. Vielleicht drei oder vier Stunden?«
Ed fühlte sich wie betäubt. Was der Professor da sagte, bestätigte die Ungeheuerlichkeit des Szenarios, mit dem sie es zu tun hatten. Bei normalen Geiselverhandlungen zog Ed Trost aus dem Wissen, dass er sich zurücklehnen und abwarten konnte, dass er die Minuten und Stunden ungerührt verstreichen lassen konnte, weil er genau wusste, dass die Entschlossenheit des Täters mit jeder verstrichenen Minute mehr ins Wanken geriet und das Machtverhältnis sich unaufhaltsam zugunsten des Verhandlungsführers verschob. Auch an diesem Vormittag war er sich sicher gewesen, über diesen Zeitvorteil zu verfügen, hatte sich daran festgeklammert, als vom Tatort keine Informationen gekommen waren. Doch jetzt war dieser Trost verschwunden, fortgerissen von der Erkenntnis, dass die Lage dramatisch war und sich immer weiter zuspitzen würde. Dennings Vergleich mit einer Eieruhr war treffender gewesen, als Ed zu jenem Zeitpunkt geahnt hatte.
»Okay, wir dürfen nicht die Konzentration verlieren«, sprach Hooper aus, was ohnehin auf der Hand lag. Er selbst klang alles andere als konzentriert. Seine Stimme besaß einen schrillen Unterton, aus dem Ed die Angst heraushörte.
»Der Kerl ist clever«, sagte Calvert. »Er weiß genau, wie er möglichst hohen Druck aufbauen kann. Er hat dreihundert Leute in seiner Gewalt, in einem Zug, der mit Sprengstoff präpariert ist, während der Tunnel sich immer mehr mit Wasser füllt. Er will offenbar absolut sichergehen, dass wir seine Forderungen erfüllen.«
»Professor Moorcroft, wie lange, glauben Sie, wird es dauern, bis die Stromversorgung des Zuges zusammenbricht?«, fragte Ed.
»Auch das ist eine Frage, die sich unmöglich mit Genauigkeit beantworten lässt«, antwortete Moorcroft.
»Versuchen Sie es«, bat Ed.
»Nun ja, die Stromversorgung wird sicher nicht sofort zusammenbrechen, nur weil Wasser auf den Gleisen steht. Es kann sein, dass sie noch eine ganze Weile funktioniert, und selbst dann verfügen die Züge der Northern Line über eine Batterie, die die Beleuchtung für mindestens eine weitere Stunde gewährleistet. Es hängt ganz davon ab, in welchem Zustand die Batterie ist.«
»Ed, ich muss an dieser Stelle leider kurz unterbrechen«, sagte Laura. »Commander Boise möchte, dass Sie an einer Telefonkonferenz mit dem Krisenkomitee der Regierung teilnehmen, da Sie bisher die einzige Person sind, die mit dem Geiselnehmer gesprochen hat.«
Ed war drauf und dran, offen seine Meinung zu sagen, nämlich dass es Wahnsinn sei, ihn so kurz vor Dennings Verkündung seiner Forderungen von der Verhandlung abzuziehen, und sei es auch nur für einen Moment. Nach kurzem Überlegen entschied er sich dagegen und sagte: »Natürlich, ich komme.« Er stand auf und ließ sich von Laura aus dem Raum führen.
Während sie zusammen den Flur entlanggingen – denselben Flur, auf dem er an diesem Morgen mit Hooper gekommen war –, sagte Laura: »Das Komitee weiß noch nichts von dem Wasser im Tunnel.«
»Ich bin also der Überbringer der Hiobsbotschaft? Hoffentlich schicken sie mich nicht in die Wüste.«
Laura stieß ein trockenes Kichern aus und führte Ed dann in ein Büro, wo sie ihm einen Telefonhörer in die Hand drückte.
»Hallo, hier ist Ed Mallory, der oberste Verhandlungsführer.«
»Ed, hier spricht Malcolm Walker. Ich habe den Vorsitz bei diesem
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