Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)
zu verarbeiten. Wäre nur schön, wenn auch weiterhin der Genuss nicht zu kurz kommt… .
Auf Höhenlagen beständig über 1.500 m kam ich in Manjarin vorbei, einem verfallenen „Geisterdorf“, in dem es lediglich einen gemeldeten Einwohner gibt. Dieser betreibt eine spartanische aber dafür sehr spezielle Herberge. Ich nutzte das Angebot, in diesem eigentümlichen Ambiente einen Kaffee zu trinken. Bald darauf überquerte ich das „Dach“ des Camino und fand mich anschließend auf einem teils sehr steilen Abstieg wieder. Eine Bergwelt von ganz besonderer Ausstrahlung lag hinter mir. Nicht immer schön im klassischen Sinne, aber fesselnd und ein bisschen geheimnisvoll. Beim Blick nach vorne öffnete sich eine neue Welt. Weit voraus erkannte ich bereits Ponferrada, direkt vor mir lag El Acebo, ein an den Berghang gebautes Dorf mit schiefergedeckten Steinhäusern. Einerseits alt und teilweise baufällig, dabei trotzdem gepflegt, andererseits gerade deshalb so schön und überhaupt erst bemerkenswert. Der Satz von der stehen gebliebenen Zeit ist zwar langsam ein alter Hut, trifft aber auch in El Acebo genau ins Schwarze. Am Ende des Dorfes erinnert ein Denkmal an einen vor 20 Jahren tödlich verunglückten deutschen Radpilger. Mahnung und gleichzeitig Aufforderung, sich niemals in Sicherheit zu wiegen. Es kann immer was passieren!
Heute tat es dies nicht. Gesund und munter erreichte ich eine halbe Stunde später Riego de Ambrós, ein Dorf, welches fast die Zwillingsschwester (oder der Bruder?!?) von El Acebo sein könnte. Es gibt eine sehr angenehme Albergue, in der zum Zeitpunkt meiner Ankunft lediglich 7 andere Pilger anwesend waren, darunter auch der Sachsen-Pilger. Es sah so aus, als hätte ich es mit der Wahl meiner Herberge zum wiederholten Mal sehr gut erwischt. Körperlich hat mir der Tag zumindest spürbar nichts abverlangt. Der Quasi-Ruhetag gestern hat mir gut getan. Ich bin jetzt schon wieder runter auf unter 1.000 m Höhe, morgen setzt sich der Abstieg bis auf 500 m fort.
In aller Ruhe erledigte ich den üblichen abendlichen „Pilgerkram“ und suchte mir für ein lecker Bierchen das einzige Lokal des Ortes auf. Hätte es mich überraschen sollen, dass ich bei meiner Rückkehr in die Albergue auf Eileen und Torsten treffe? Wohl eher nicht! Jetzt sieht es jeder, die beiden sind ein Paar. Sie sehen glücklich aus! Ich freue mich für sie. Vielleicht wird ja was draus, auch über den Camino hinaus. Wäre doch eine schöne Story. Den Abend „erduldeten“ sie meine Gesellschaft. Wir aßen gemeinsam und ich trank von dem offensichtlich schweren Rotwein so viel, dass mir meine Zunge anschließend nicht mehr richtig gehorchen wollte. Im Kopf war und ist hingegen alles klar.
Noch vor einsetzender Dunkelheit hat es sich größtenteils aufgeklart, inzwischen ist es auch nicht mehr so kühl. Das schräg einfallende Sonnenlicht gibt den Hausfassaden ein warmes Licht, viel schöner kann ein Tag hier kaum zu Ende gehen. Das Klima der Region, in der ich morgen unterwegs sein werde, wird als sehr mild, beinahe mediterran beschrieben. Es sieht so aus, als sei der heutige Tag wettermäßig nur eine Ausnahme gewesen.
Im Nachhinein betrachtet hätte ich es gar nicht anders haben wollen. Für diesen Abschnitt war das Wetter, so wie es war, maßgeschneidert. Strahlender Sonnenschein hätte den Stationen des Weges wahrscheinlich eine Menge von ihrem sehr speziellen Reiz und ihrem innewohnenden Zauber genommen. Ich bin sicher, gerade, weil es so trübe war, ist der außergewöhnliche Charakter der Strecke so gut zum Ausdruck gekommen. Es war ein Tag, zum Alleinwandern wie geschaffen. Berührend, abwechslungsreich, intensiv, einfach etwas Besonderes! Danke!
Wachhund in Foncebadón
Tag 76, Riego de Ambrós - Cacabelos 31 km
Gleich hinter dem Ortsausgang wartete ein steiler Naturp fad. Vorsicht war angesagt, manche Stellen waren gehörig glitschig. Gerade früh am Morgen, wenn die Knochen noch kalt und steif sind, kann ein falscher Schritt fatale Folgen haben. Aber ich habe aufgepasst, alles war gut! Mit der über den Bergen aufgehenden Sonne begann ein wunderschönes Spiel aus Licht und Schatten. Die ungleichmäßig mit Ginsterbüschen bewachsenen Berghänge bildeten einen großen gelben Flickenteppich. Es waren schöne erste Kilometer. Der sehr gepflegte Ort Molinaseca schien noch zu schlafen, so ruhig lag er da. Am Ende des langgestreckten Dorfes
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