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Aber bitte mit Sake

Aber bitte mit Sake

Titel: Aber bitte mit Sake Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dana Phillips
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der Welt so sicher ist wie in Japan«, fährt der Lehrer fort. »Aber wir dürfen auch nicht zu ängstlich sein, Kontakt mit den Menschen aufzunehmen. Nicht jeder will Ihnen wehtun! Wir werden Ihnen jetzt ein paar klassische Situationen vorspielen, damit Sie wissen, wie Sie sich richtig verhalten.« Ich blicke mich im Raum um. Einige der Anwesenden tragen Mundschutz, vermutlich auch im Interesse der Sicherheit. Ein als Tourist verkleideter Übersetzer betritt die Bühne. Er trägt eine Tasche in der Hand, um seinen Hals hängt eine Kamera. Bevor er beginnt zu fotografieren, stellt er die Tasche auf dem Boden ab.
    »Was macht er falsch?«, fragt der zweite Übersetzer auf der Bühne. Schweigen im Publikum.
    »Er hat seine Tasche achtlos auf den Boden gestellt und sich umgedreht. So könnte sie sofort gestohlen werden.« Ich seufze. Eine Überforderung stellt dieser Kurs nicht gerade dar. Aber den Kurs vorzeitig zu verlassen, wäre unhöflich. Auf der Bühne wird die nächste Situation nachgestellt. Der nächste Darsteller trägt einen schicken Anzug, darunter ein T-Shirt mit der Aufschrift »I love Peru«, außerdem glänzende Lederschuhe und eine Ray-Ban-Sonnenbrille. In den Händen hält er einen aufgeklappten Stadtplan. Erneut wird das Publikum gefragt, was an dieser Situation nicht ganz stimmen könnte.
    »Die Aufschrift auf dem T-Shirt. Die müsste doch Spanisch sein, wir fahren doch nach Peru«, meldet sich eine japanische Dame. Der Übersetzer lacht.
    »Ja, das stimmt natürlich. Aber vor allem benimmt er sich sehr auffällig. Man sieht sofort, dass er ein Tourist ist und dass er reich ist. Das ist gefährlich.« Im Anschluss zieht der Reiche ein Bündel Geld aus der Tasche und betrachtet es auffällig, dann steckt er es in seine Jeans.
    »Auch das ist falsch. Man sollte die Scheine auf keinen Fall so offensichtlich zählen. Sonst sieht jeder gleich, dass man viel Geld dabei hat. Und um sich vor Gaunern zu schützen, muss man es unbedingt immer auf mehrere Taschen verteilen. Und man sollte immer nur genau so viel Geld dabei haben, wie man braucht. Niemals mehr.« Ich muss lachen. In der Regel habe ich immer weniger Geld dabei, als ich brauche, aber definitiv immer mehr, als ich eigentlich besitze. Dieser Kurs ist einfach zu lustig. In Deutschland würden die Leute denken, man wolle sie auf den Arm nehmen. Leise verlasse ich nun doch meinen Platz; ich habe genug gehört und gönne mir lieber einen Kaffee an Deck. Die Vorstellung, den kommenden Tag allein mit Yuuku in Peru zu verbringen, macht mich nervös. Irgendwie kribbelt es in meinem Bauch, wenn er in der Nähe ist, obwohl er eigentlich gar nicht mein Typ ist. Ich kann mir richtig vorstellen, wie meine beste Freundin Ellen reagieren würde. Ein Japaner? Sie würde mich entrüstet anschauen. Der ist doch garantiert kleiner als du! Ich vermisse es, mit ihr zu telefonieren. Überhaupt fehlt es mir, mich in meiner Muttersprache unterhalten zu können.
    Nach einer unruhigen Nacht werde ich am nächsten Morgen zu nachtschlafender Zeit unsanft aus dem Schlaf gerissen. Ich erwache von einem Knacken in den Lautsprechern.
    »Dies ist eine Durchsage der Rezeption«, blökt es durch die Kabine. »Wenn Sie in Peru das Schiff verlassen, denken Sie daran, Ihren Reisepass mitzunehmen. Sie können ihn an der Ausgabestelle abholen.« Verschlafen öffne ich ein Auge und werfe einen Blick auf den Wecker. Punkt fünf. Morgens. Es muss sich um einen Irrtum handeln! Ich kontrolliere die Uhrzeit noch einmal auf meiner Armbanduhr, doch es stimmt. Es ist tatsächlich fünf Uhr früh. Missmutig wälze ich mich auf die andere Seite und versuche wieder einzuschlafen. Nachdem ich mich ein paar Mal hin und her gedreht habe, falle ich wieder in einen leichten Schlaf. Um fünf Uhr dreißig das ganze Spektakel von vorne.
    »Dies ist eine Durchsage der Rezeption …« Es folgt erneut die Anweisung, den Reisepass einzupacken. Von da an ertönt die Ansage im Halbstundentakt. Um sechs, um halb sieben und für alle, die es immer noch nicht verstanden haben, auch noch mal um sieben. Ich hieve mich aus dem Bett, schlafen kann ich ja doch nicht mehr, und blicke aus dem Fenster. Das einzige Bild, das ich von Peru im Kopf habe, sind die grünen Berge von Machu Picchu – doch das, was ich jetzt sehe, hat keinerlei Ähnlichkeit damit. Wir haben mittlerweile in der Hafenstadt Callao angelegt, die auf den ersten Blick ziemlich trostlos und grau wirkt. Zudem gilt sie auch noch als ziemlich gefährlich,

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