Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)
darf nicht zu viel auf das Gerede der Leute geben. Die Kriminalen haben ja auch ganz klar ausgeschlossen, dass jemand seine Finger im Spiel gehabt hatte. So stand es in der Zeitung. Und wenn es anders wäre, würde er heute – ach Papa, mir fällt der Name einfach nicht ein – jedenfalls würde er heute nicht mehr in seinem Elternhaus wohnen. Aber warum fragst Du überhaupt?«, fragte sie mich dann unvermittelt. Ach nur so, antwortete ich, Mutter die Flasche Bier aus der Hand nehmend, »Habe einen alten Bekannten getroffen und an früher gedacht.«
Am nächsten Tag rollte ich die in Wuppertal angesiedelten Seiten, die K. mir geschickt hatte, und in denen sich auch die Episode des »Sammlers« befand, zusammen, schob sie mir in die Gesäßtasche meiner Jeans und fuhr mit Fahrrad meines Vaters zu dem Haus, von dem ich vermutete, dass K. dort wohnte.
Es war der Tag nach der traditionellen Verbrennung des Kirmesmännekens, mit welcher das Schützenfest im Dorf endete. Auf dem Feld neben dem Festzelt, das bereits zu großen Teilen abgebaut worden war und das auf meinem Weg lag, waren deutlich die Spuren des Rituals zu sehen, ein mehrere Meter im Rund messender Kreis verbrannter Erde. Meinen Eltern hatte ich nicht gesagt, wohin ich ging, hatte ihnen aber, sicher ist sicher, in meinem Koffer einen kurzen Brief hinterlassen, in dem ich sie über K. aufklärte (mit voller Nennung seines Namens). Sollte mir etwas zustoßen, so würden sie, das war meine Überlegung, diesen Brief irgendwann finden.
R.B.
Drittes Kapitel
Über die Wupper
1.
Gleich, nachdem ich mein Abitur in der Tasche hatte, zog ich nach Wuppertal. Mein Plan war, mich dort dem Studium der Philosophie zu widmen, vor allem aber, jetzt endlich meinen ersten Roman zu schreiben und die große Liebe meines Lebens zu treffen.
Natürlich lag mir viel daran, möglichst schnell interessante Leute kennenzulernen, also machte ich mich auf die Suche nach einem Zimmer in einer Wohngemeinschaft. Auf dieser Suche, bei einem dieser obligatorischen Vorstellungsmeetings in der WG-Küche, lernte ich Diana kennen.
Es war nicht mein erstes Treffen dieser Art, hatte schon einige Wer-Passt-Jetzt-Am-Besten-In-Unsere-WG-In-Der-Küche-Hocks hinter mir, und ich hatte es hassen gelernt. Es war üblich, es war wohl auch unvermeidlich, aber es hatte etwas von einer Fleischbeschau. Nun, ich wollte ja unbedingt in einer WG wohnen. Da musste ich also durch. Natürlich nicht deswegen, weil sich so schnell niemand fand, der mich als Mitbewohner haben wollte. Ich selbst war, was meine zukünftigen Mitbewohner anging, wählerisch. Schließlich wollte ich, gerade erst dem festen Griff meiner Eltern entkommen, nicht vom Regen in die Traufe geraten. Eine WG mit Putzplan, basisdemokratisch geführtem, gemeinsamem Haushalt, am besten noch mit verpflichtend gemeinsamer Essenszubereitung und -zusichnahme, kam nicht in Frage. Nicht, dass ich ein Faible für Unordnung und Dreck gehabt hätte, aber ich legte doch Wert auf ein gewisses Maß an Lockerheit gegenüber den häuslichen Notwendigkeiten. Ich hielt es in diesem Punkt mit den Griechen. Was getan werden muss aus Notwendigkeit, also alle Formen der Arbeit, ist eines freien Mannes nicht würdig. Selbstverständlich hielt ich nicht nach einer WG Ausschau, die eine Putzfrau beschäftigt oder von einer weiblichen Mitbewohnerin in Ordnung gehalten wird. Aber das, was aus Notwendigkeit getan werden musste, sollte wenigstens mit einer gewissen Beiläufigkeit erledigt werden. Und so war mir diese WG von Anfang an sympathisch gewesen.
Ohne ins Detail zu gehen. Die Wohnung war – als ich sie das erste Mal betrat – sauber, aber nicht rein. In einer Ecke der Küche stapelten sich leere Bierkästen. Daneben eine Bütt, in der man früher Kinder zu baden pflegte, voll mit leeren Flaschen unterschiedlichster, vormaliger Gefülltheit: Weinflaschen natürlich, dann auch Gin-, Tequila-, Campariflaschen und dergleichen mehr. Das sei allerdings nicht der Normalzustand, wie mir Udo erklärte, weil all dies noch von Dianas Geburtstagsparty übrig geblieben sei. Ebenso wie das eine abgerissene Waschbecken (es gab zwei im Bad), wie Gerd hinzufügte, ohne eine weitere Erklärung zu liefern.
Aber Normalzustand hin oder her, mir schien dies alles doch eine sehr ansprechende Tendenz auszudrücken. Und entsprechend dieser Tendenz wurde mir zu diesem Kennenlern-Meeting auch nicht Kaffee oder Schwarztee oder – wie es auch gerne praktiziert wurde
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