Abseitsfalle. Kadir Bülbüls zweiter Fall
von dieser Reporterin! Wer weiß, was morgen früh von
ihr zu lesen ist.«
Jemand
kam von der Terrassenseite in die Bar und ein Schwall kühler Abendluft ließ Madlen
frösteln. Hastig entwand sie sich Rocco und zog ihren Kaschmirschal über die
nackten Schultern.
»Weißt
du, was mir zu schaffen macht? Dass ich vielleicht nie erfahren werde, warum
Hakan mich so in die Pfanne gehauen hat. Oder warum er Patrick so übel gefoult
hat. Es machte immer den Anschein, als ob wir beste Kumpels wären. Wie konnte
ich mich nur so täuschen?«
»Vielleicht
erhalten wir ja über das Geschmiere von dieser Ratzki noch Aufklärung, Hakan
scheint bei ihr kein Blatt vor den Mund genommen zu haben. Du und deine Kumpels!
Man kann jedem Menschen nur vor die Stirn schauen, Hakan ist das beste
Beispiel. Es zeigt sich mal wieder, was von eingeschworenen Männerbünden zu
halten ist.«
Roccos
Miene verdüsterte sich. Er öffnete schon den Mund um zu antworten, unterließ es
dann jedoch. Wenn Madlen in dieser Stimmung war, tat man besser daran zu
schweigen und das Thema zu wechseln.
»Ich
hoffe, die Polizei lässt uns bald nach Hause. Die Rückrunde beginnt in zehn
Tagen, ich habe keine Ahnung wie…«
Das
Klirren, mit dem Madlen ihr Weinglas auf den Marmortisch abstellte, ließ keinen
Zweifel daran, dass Rocco in seinem Bemühen sie abzulenken einen falschen Weg
eingeschlagen hatte.
»Die
Rückrunde? Die Rückrunde ?«
Das
Blut war aus Madlens Gesicht gewichen, und Rocco erkannte erstaunt, dass
tatsächlich zwei bläulichschwarze Halbmonde unter Madlens Augen schimmerten.
»Du
behauptest, du hättest genauso viel Angst wie ich, nachdem was hier passiert
ist, und dabei ist deine einzige Sorge, dass ihr rechtzeitig zum Ligastart
wieder in Bütte seid! In Bütte! Wenn ich den Ortsnamen nur ausspreche wird mir
schlecht, speiübel wird mir. Ich sehe es schon wieder vor mir, unser Gartentor,
die spießigen Fliederbüsche, das Haus mit den hässlichen Fliesen, mein Gott,
jedes Haus in Bütte muss selbstredend gefliest sein, vom Keller bis zum
Dachboden, die Leute in dieser Region lieben Fliesen, und warum? Weil der
Schützenkönig, der jedes Jahr seit hundert Jahren der Schützenkönig wird, einen
Fliesenhandel betreibt! Das ist prima, so ein Fliesenboden, denn dann kann sich
der Stalker auf Socken noch leiser an mich oder dich heranschleichen!«
»Madlen,
bitte, die Leute schauen schon hierher!«
»Sollen
sie doch! Die Königin hat einen Nervenzusammenbruch! Hey, ihr da, ja, genau, ihr
zwei Super Bodyguards, sagt dem Typen hinter der Bar mal, dass die Königin noch
einen Weißwein will und zwar pronto! Die Königin muss sich an den Gedanken
gewöhnen, dass sie bald wieder auf ihren öden Landsitz in der Provinz verbannt
wird, denn der König will erneut mit seinen alten Recken in die Schlacht
ziehen. Sofern der türkische Pascha ihn aus der Gefangenschaft entlässt, heißt
das, aber wir sind zuversichtlich, dass Erwin Rippenstich und unsere Kanzlerin
die Türken zur Einsicht bringen werden. Und kaum ist das Königspaar wieder auf
seinem Landsitz, werden die Schrecken weitergehen und ein unbekannter schwarzer
Landsknecht wird den beiden das Leben zur Hölle machen. Darauf trinke ich! Hoch
die Tassen!«
Der
Schal rutschte erneut von Madlens Schultern, als sie den Arm hochreckte und so
tat, als ob sie einer devoten Menschenmenge neben ihrem Tisch zuprostete.
»Vielleicht
hören diese Vorfälle jetzt auf! Vielleicht, so habe ich mir schon überlegt,
steckte Hakan hinter dem Stalker?«
»Hakan?«
Madlen blinzelte irritiert. »Was ist das denn für eine verrückte Idee? Nein,
Rocco, nein.« Madlen beugte sich über den Tisch und sah ihren Mann beschwörend
an. »Der Stalker wollte dich ermorden, Hakan ist nur das zufällige Opfer. Warum
er ihn mit dir verwechselt hat, kann ich mir nicht vorstellen, aber so muss es
gewesen sein. Alles deutet immer nur wieder in deine Richtung. Bitte, Rocco!
Bitte lass uns aus Bütte verschwinden, wechsele zu einem anderen Verein in ein
warmes, schönes Land, oder noch besser…«
»…
schmeiß alles hin und geh mit mir nach L.A.«, vollendete Rocco den Satz seiner
Frau. Er seufzte und Madlen schloss für einen kurzen Moment die Augen als sie
hörte, wie resigniert er klang.
»Du
möchtest also lieber in Bütte sterben als in Kalifornien leben?«, fragte Madlen
und bedauerte im selben Moment, wie melodramatisch sie sich anhörte.
Rocco
schob seinen erkalteten Kaffee beiseite und sah nach den beiden
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