Acacia 02 - Die fernen Lande
Denben im nördlichen Talay gegenüber.
Die Vertreter des Widerstands kamen aus allen Provinzen, mit Ausnahme von Vumu, das zu abgelegen war. Sie waren eine merkwürdige Gruppe. Nur Grae trug die edle Kleidung der Aristokratie. Alle anderen Männer und Frauen kleideten sich als das, was sie waren: ein Kaufmann aus Bocoum, ein Mitglied eines Stammesrats aus Palik, ein Schmied aus Elos, ein Hafenarbeiter aus Nesreh, eine Schenkenwirtin aus Senival, ein Architekt aus Alecia, ein Jäger aus Scatevith und so weiter. Ihre Hautfarbe und ihre Gesichtszügen unterschieden sich je nach Volkszugehörigkeit und machten sie zu einem Kaleidoskop der Bekannten Welt. Barad selbst sah so aus wie immer und erinnerte mehr an einen alternden Arbeiter in grober Kleidung als an einen Aufständischen, der vorhatte, ein mächtiges Reich zu stürzen.
Abgesehen von Grae befehligte keiner der Anwesenden eine Armee, aber sie alle waren den gemeinsamen geheimen Zielen treu geblieben. Sie hatten die verschlüsselte Sprache bewahrt, in der sie einander Nachrichten zukommen ließen, oft auf den Lippen von Reisenden, die keine Ahnung hatten, dass sie Boten waren. Die meisten von ihnen hatten eine weite Reise auf sich nehmen müssen, um hierherzugelangen und nun beklommen und voller Erwartung dazusitzen, endlich von Angesicht zu Angesicht, durch ein Ziel vereint, das sich über alle Grenzen, Berge, Wälder und Meere erstreckte.
»Es ist ein Segen«, begann Barad mit seiner tiefen Stimme, »dass wir uns endlich auf diese Weise treffen können. Es spielt keine Rolle, dass dieser Raum nach Bier und Schweiß riecht. Es spielt keine Rolle, dass dies hier eine Arme-Leute-Schenke ist und sie nebenan bald anfangen werden, derbe Lieder zu singen. Das alles spielt keine Rolle. Schaut euch um. Die Gesichter, die ihr seht, sind die Gesichter der Gleichgesinnten. Das sind wir schon immer gewesen, aber dieses Treffen kennzeichnet den Tag, an dem wir als eine Familie zusammensitzen und aus dem gleichen Becher trinken. Lasst uns das zweimal tun: jetzt, um unsere Partnerschaft zu beginnen, und am Ende dieses Treffens, um sie zu bestätigen.«
Durch eine Geste seiner großen Hände deutete er an, dass er dies wörtlich meinte. Vor ihm stand ein großer silberner Kelch auf dem ansonsten leeren Tisch, ein schlichtes Gefäß ohne sonderliche Verzierungen, das vom Alter angelaufen war. Barad hob ihn hoch und hielt ihn so, dass die anderen hineinschauen und den dunklen, schweren Wein darin sehen konnten. Er trank einen Schluck und reichte den Kelch dann an die Frau weiter, die neben ihm saß. Sie war deutlich kleiner als er, doch sie nahm das Gefäß ehrfurchtsvoll entgegen, trank und reichte es dann ebenfalls weiter. Alle schwiegen, während der Kelch um den Tisch wanderte, bis er dessen anderes Ende erreichte.
»Vergebt mir, König Grae«, sagte Barad, »aber erzählt uns etwas über Euch, bevor Ihr trinkt. Ihr seid der Letzte, der sich dieser Gemeinschaft angeschlossen hat. Bestätigt bitte, dass Ihr wirklich einer von uns seid.« Er lächelte, um der Aufforderung etwas von ihrer Schärfe zu nehmen. »Versteht Ihr, Ihr könntet uns nur zu leicht verraten, Corinn die Kunde von uns direkt ins liebliche Ohr flüstern, wenn Ihr wolltet. Erklärt uns, warum Ihr so etwas niemals tun würdet.« Hinter seinem Lächeln verbarg Barad das Wissen, dass das unwahrscheinlich war. Die Gleichgesinnten hatten vor einigen Jahren Spione in Killintich eingeschleust. Ein paar davon waren dem König mittlerweile ziemlich nahe, nahe genug, um ihm im Schlaf die Kehle durchzuschneiden, falls es so aussehen sollte, als würde er sie verraten. Doch natürlich war es wesentlich besser, wenn so etwas gar nicht erst notwendig wurde.
Ganz eindeutig war es der Monarch, so jung er auch war, nicht gewohnt, kritisch beurteilt zu werden. Er hielt den Kelch einen Augenblick lang in den Händen und rollte den Stiel zwischen den Fingern, als denke er darüber nach, ihn erst auszutrinken und dann zu sprechen. Doch dann stellte er das Gefäß ab und blickte in die wartenden Gesichter. »Ihr wollt, dass ich euch meine Loyalität beweise? Das ist leicht, denn meine Loyalität euch gegenüber ist die Zwillingsschwester meiner Loyalität gegenüber Aushenia. Alles, was ich jemals tun werde, wird zum Besten meines Landes sein, das viel zu lange gelitten hat. Habt ihr das vergessen? Wir haben während der Generationen gelitten, in denen wir unabhängig waren, als die Akarans alles getan haben, um unseren
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