Acacia 02 - Die fernen Lande
dies ist Prinz Dariel Akaran.«
Noval neigte den Kopf und sagte: »Ich fühle mich geehrt, Euch kennenzulernen, Hoheit.«
»Ich habe den Ishtat aufgetragen, ihn uns zu bringen, doch es scheint, als wäre er nicht freiwillig mitgekommen. Vielleicht hat er geglaubt, er könnte sich den Weg durch unsere ganze Ishtat-Streitmacht freikämpfen. Vielleicht hat er auch geglaubt, seine Marah würden ihm helfen. Aber leider werden sie das nicht tun.« Er senkte die Stimme und fügte hinzu: »Wir mussten … sie töten.«
Dariels Augen quollen hervor. Er bewegte Lippen und Zunge, wollte ganz offensichtlich sprechen, doch der Knebel ließ nur Ächzen und wütende Atemzüge aus seinem Mund dringen – und Speichel, der ihm aus den Mundwinkeln troff. Er fing abermals an, um sich zu treten. Sire Neen hatte alle Mühe, bei diesem Anblick gelassen zu bleiben. Um seine Erheiterung nicht allzu sehr zu zeigen, begann er in seiner Brusttasche nach seiner Nebelpfeife zu kramen.
Er schaute erst wieder auf, nachdem er sie entzündet und einen raschen Zug von dem grünen Rauch genommen hatte. Dariel hing keuchend da, und in seinem Blick loderte Hass. »Ich kann Eure Gedanken sehen«, sagte Sire Neen. Trotz der Bedeutung seiner Worte klang seine Stimme honigsüß und neckisch. »Sie sind genau da, in Euren Augen. Ihr denkt: Wie kann er glauben, er könnte einen Akaran-Prinzen beleidigen, ohne es später zu bereuen? Ihr wart nie der Schlaueste von Eurer Brut, oder? Aliver hätte mir nicht einen Augenblick lang getraut. Corinn hätte mittlerweile längst alles durchschaut und würde bereits daran arbeiten, den Schaden ungeschehen zu machen. Mena – selbst wenn sie gefesselt wäre, wie Ihr es jetzt seid – hätte wahrscheinlich irgendeine Möglichkeit gefunden, mir den Kopf abzuschlagen. Ihr allerdings nicht. Ihr hattet gewisse Fähigkeiten, was Verrat und Mord angeht – das gestehe ich Euch zu –, aber ich habe Euch immer für ziemlich dumm gehalten. Ihr habt Eure Schwester zur Herrin jener Welt werden lassen, auf die Ihr selbst hättet Anspruch erheben können. Dieser Mangel an Ehrgeiz verblüfft mich.«
Sire Neen streckte eine Hand aus, als wollte er eine Locke des Prinzen zurückstreichen, doch er war ihm bei weitem nicht nahe genug und führte die Geste nicht zu Ende. Einen Augenblick lang vergaß er, wie sehr er den Prinzen hasste. Er verspürte so etwas wie Wärme für ihn. »Sollen wir Euch alles erklären? Es gibt keinen Grund, warum Ihr Eure Zukunft nicht klar erkennen solltet.« Er winkte einem seiner Sekretäre zu, seinen Stuhl zu räumen. »Lasst den Prinzen Platz nehmen.«
Ein freundliches Angebot, aber eines, von dem die Wachen den Prinzen erst überzeugen mussten, ehe er es annahm. Sobald er in die Polster des Sessels gedrückt worden war, begann Sire Neen einen zwanglosen Vortrag, den er gelegentlich unterbrach, um einen Zug aus seiner Pfeife zu nehmen. »Wie Ihr Euch vorstellen könnt«, sagte er, »hat die Gilde seit Generationen versucht, etwas über die Lothan Aklun in Erfahrung zu bringen. Sie waren auf ärgerliche Weise geheimnisvoll, haben nichts gegeben und wollten nichts anderes gegen Quotenkinder eintauschen als Nebel. Das war alles. Mehr wollten sie nicht von uns. Wir haben Spione zu ihnen geschickt, aber nur selten wieder von ihnen gehört. Normalerweise waren es einzelne Personen, als Kinder-Sklaven getarnt. Sie hatten den Befehl – und die Mittel –, sich selbst zu töten, wenn sie entdeckt wurden.«
Neen schürzte die Lippen. »Warum haben wir versucht, sie auszuspionieren? Aus dem gleichen Grund, aus dem Edifus jedem Mann den Kiefer gebrochen hat, der die Stimme gegen ihn erhoben hat. Aus dem gleichen Grund, aus dem Tinhadin Hauchmeinish verraten und die Santoth ins Exil geschickt hat. Aus dem gleichen Impuls heraus, der Eure Schwester Corinn dazu gebracht hat, Hanish auf seinem ererbten Scatevith-Stein verbluten zu lassen. Weil sie Konkurrenten waren, Prinz. Weil die Welt für unseren Ehrgeiz nicht groß genug war, nicht einmal die ganze Weite der Grauen Hänge. Warum ihnen einen Anteil am Handel gewähren, wenn wir alles selbst besitzen können?«
»Als ein Akaran solltet Ihr diese Art zu denken nur zu gut verstehen«, bemerkte Noval.
Sire Neen sah den jungen Mann mit zusammengekniffenen Augen an, kein richtiger Verweis, aber auch nicht viel weniger. Er hatte noch nicht den Wunsch, seinen Vortrag mit jemandem zu teilen. »Nun ja, die Gilde ist geduldig, und weil wir so geduldig sind, haben
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