Achsenbruch
wozu haben die Menschen den Journalisten erfunden?«
Der Schlüssel, dachte Mager. Wieso weiß der Typ nix von der Wohnung über dem Büro? Bevor er nachhaken konnte, schielte der Ratsherr auf seine Armbanduhr, sprang auf und stürzte den Cappu im Stehen in den Schlund: »Leute, ich muss los. War nett, euch zu sehen! Tschüss, Klaus! Madame – meine Verehrung!« Und weg war er, ohne zu zahlen.
Susanne und Mager sahen sich verblüfft an. Schließlich sagte die Chefin: »Wenigstens hat er nicht Kaviar und Champagner bestellt.«
Haben die hier auch nicht, dachte Mager und orderte für sich auch einen Cappuccino – laktosefrei.
»Meinst du, das hilft bei dir?«, fragte Susanne.
Der Bärtige schluckte seine Antwort herunter. Es gab Momente, in denen er seine Chefin hasste.
20
Wieder im Büro angekommen, stellte Lohkamp fest, dass Hardenberg und Klemm sich endlich mit sinnvollen Aufgaben beschäftigten.
»Was Neues über den Scirocco?«
»Möglich. Vorige Woche ist einer in Dortmund gestohlen worden. Aber auf dessen Kennzeichen konnte man hinter dem DO schlecht den Zusatz I 181 zurechtfummeln. Und von den Tätern keine Spur.«
»Und der Lkw?«
Kathrin Klemm schaute von ihrem Monitor auf: »Magirus-Deutz, Pritschenwagen Typ Pluto, Achtzigerjahre, Benziner. Die ehemalige Besitzerin hat ihn vor zehn Jahren an irgendwelche Leute aus dem Baltikum verkauft. Ist doch zumindest der Hauch einer Spur.«
Lohkamp zweifelte daran. Anfang der Neunzigerjahre hatten zahllose Kleintransporter mit dem LT und LV am Heck die Schrottplätze im Ruhrpott abgegrast und jedes Wrack nach Osten geschleppt, das noch ein Dach und vier Felgen hatte. Hauptsache, am Bug prangte ein Blitz oder Stern. Das M war weniger begehrt, doch die Kiste war damals noch nicht so alt gewesen. Aber wieso tauchte sie hier in Bochum wieder auf? War der Wagen überhaupt bis an die Ostsee gekommen?
»Chef? Die KTU hat außerdem noch die Identnummer gefunden.«
»Die – was?«
»Fahrgestellnummer hieß das früher«, meldete sich Hardenberg, während Klemm ihre fertige Mail abschickte: »So, die Anfrage ans Straßenverkehrsamt ist weg. Das wird dauern. Vermutlich liegen die alten Akten im Keller und sind noch nicht digitalisiert worden. Und bei der üblichen Personalknappheit …«
»Schreib auch an die Letten und Litauer.«
»Mache ich, Chef. Haben die schon Internet?«, fragte sie grinsend.
»Nein«, sagte Hardenberg, »die trainieren gerade die ersten Brieftauben.«
Lohkamp gähnte und griff automatisch nach seinen Zigaretten. Als das Feuerzeug schnippte, meldete sich Hardenberg: »Chef!«
»Ist ja schon gut«, meinte Lohkamp, öffnete das Fenster und lehnte sich weit hinaus. Hier konnten ihn zwar Dutzende Leute beobachten und irgendein Verklemmter würde bestimmt im Büro des Präsidenten anrufen, um zu petzen. Egal, dachte er, es wird schon nicht den Job kosten.
Er ließ den Rauch die Wand hinaufklettern. Schickte seine Gedanken auf eine Reise ins nächste Jahr. Im Frühling würde er schon längst aus diesem Affenstall raus sein und sich die Sonne woanders aufs Gesicht scheinen lassen. Da, wo sie nicht von der Dunstglocke des Ruhrpotts gefiltert wurde.
»Was Neues von Dorn?«, fragte er, nachdem er die Zigarette auf dem Fensterbrett ausgedrückt und in den Innenhof geschnipst hatte.
»Die Sphinx?«, fragte Hardenberg. »Mittagspause. Die war doch mit ihren starken Jungs in Hattingen und musste Akten sortieren.«
»Wie bitte? Die wollte doch ihre Staatsschutzfragen klären. Muslime scannen, Hassprediger umerziehen.«
»Kann sein. Aber hat stattdessen Beißners Kanzlei auseinandergenommen.«
»Fuck!«
Jetzt war Klemm entrüstet. So etwas hatte Lohkamp noch nie gesagt.
Doch bevor sie ein empörtes »Chef!« hinauspusten konnte, war dieser schon verschwunden.
»Sie wollen wirklich zu mir?« Das Dienstlächeln auf dem Gesicht der Vorzimmerdame Sonnenscheins verschwand. »Um was geht es denn?«
»Um Ihre Chefin. Darf ich mich setzen?«, fragte Lohkamp und zog sich einen Stuhl heran, ohne die Antwort abzuwarten. Seine Seele war noch immer angefressen, weil Dorn ihn ausmanövriert hatte. Aber er durfte die Frau hinter dem Schreibtisch nicht für die Tricks der Bundesanwältin büßen lassen. »Sehen Sie, Frau Ehlers, wir wissen ja immer noch nicht, ob der Bombenanschlag ihr oder Beißner gegolten hat.«
»Herrn Beißner doch nicht!«
»Wieso?«
»So ein friedfertiger Mensch!«
»Und Ihre Chefin ist nicht friedfertig?«
Die Sekretärin
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