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Achsenbruch

Achsenbruch

Titel: Achsenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Junge
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Nein ergibt was? Ein Ja. Ich lasse ihn dort stehen!«
    Die Kittelschürze mit den Filzschluffen machte keine Anstalten, den Weg ins Haus freizugeben: »Erstens stehen Sie mit den Rädern auf dem Bürgersteig, zweitens ragt ihre Stoßstange in die Einfahrt. Das sehe ich von hier aus!«
    »Gute Frau«, lächelte Kalle, »zweitens passen da noch zwei Panzer durch und für Erstens ist das Ordnungsamt zuständig. Oder gehört der Bürgersteig Ihnen persönlich?«
    Genervt wandte er sich ab und studierte die Ansammlung von Briefkästen und Klingelschildern.
    »Wohin wollen Sie überhaupt?«
    Solch eine Hippe im Haus und ich säße im Knast, dachte Kalle, wahrte aber die Contenance: »Eigentlich wollte ich zu Ihnen. Sie sollen einen vorzüglichen Kaffee kochen. Aber bei diesem Empfang schelle ich lieber woanders! Schönen Tag noch – und achten Sie beim nächsten Mal auf Ihr Outfit. So empfängt man keine Fremden!«
    Sanft drückte er sich an ihr vorbei und stieg die Treppen hinauf bis unter die Dachschräge im zweiten Stock. Simone empfing ihn lächelnd vor der Tür: barfuß, in abgeschabten Jeans und einer bunten Bluse. Sie war deutlich schmaler geworden und feine Fältchen umgaben ihre Augen.
    »Mensch, Simone, was hast du dir für einen Hausdrachen zugelegt?«
    »Mensch, Kalle, du hast immer noch Manieren wie dein Vater!«
    »Wieso?«
    »Na – begrüßt man so eine Frau, die man sieben Jahre nicht gesehen hat?«
    »Wie macht man das?«
    »Zum Beispiel so: He, Simone, du siehst noch hinreißender aus als damals!«
    »Au, verdammt. Soll ich noch mal raufkommen? Zweiter Versuch?«
    »Lieber nicht. Dann musst du noch mal an diesem Wischmopp auf Beinen vorbei. Und die alten Weiber hier im Haus sind alle c-u-v!«
    »Was heißt das denn?«
    »Chronisch untervögelt.«
    »Das habe ich gehört!«, gellte es von unten durchs Treppenhaus und eine Tür krachte ins Schloss.
    Laut lachend betraten sie Simones Wohnung. Ein langer Flur mit zwei flachen Kleiderschränken, links das Bad und eine Küche, am Ende ein riesiger Wohnraum mit einem breiten Fenster auf der Giebelseite. Davor ein Schreibtisch, ein paar Kommoden und der Fernseher unter der Dachschräge, ein hohes Bücherregal links neben der Tür. Am meisten beeindruckte den Besucher jedoch die ausgedehnte Couchlandschaft zwischen Eingang und Fenster.
    »Schöne Wohnung!«, konstatierte Kalle. »Und wie ich sehe, passt noch immer alles in einen Lieferwagen.«
    »Das ist auch nötig. Erstens die Weiber unten, zweitens der Hauswirt. Habe eine Abmahnung bekommen, weil ich auf dem Balkon zwei Jeans getrocknet habe. Das hatte hier in zwei Jahrzehnten noch niemand gewagt. Kaffee?«
    Kalle Mager nickte und sie setzten sich mit ihren Bechern auf den Balkon in die Sonne. Der Aschenbecher auf dem kleinen Campingtisch war so voll wie in den alten Zeiten.
    »Wovon bezahlst du dieses Scheinparadies?«
    »Ich habe einen Zeitvertrag in einem Berufskolleg. Fünfzehn Stunden Informatik. Ansonsten richte ich Anfängern den Computer ein und kille Viren und Trojaner. Und du? Studium fertig?«
    Kalle erzählte, was notwendig war.
    »Und sonst?«, hakte sie nach. »Keine Frau, keine Kinder?«
    »Gott bewahre!« Kalle legte seine Zeigefinger zu einem Kreuz übereinander, das jeden Vampir sofort in die Flucht geschlagen hätte. »Aber du hast dich auch noch nicht vermehrt!«
    Ihre Augen wurden schmal: »Die meisten Männer kannst du dafür nicht gebrauchen.«
    »War das ein Outing?«
    »So halb und halb. Weiß nicht recht. Lesben können auch ganz schön zickig sein.«
    Das Gespräch stockte. Kalle dachte an die Nächte, die er mit ihr verbracht hatte – auf der Lauer nebeneinander im Auto oder auf Firmenkosten im Bett eines luxuriösen Hotels am Kanaal door Walcheren . Eigenwillig und selbstbewusst war sie schon damals gewesen. Aber gleichzeitig ein prima Kumpel und eine hingebungsvolle Geliebte. Wieso hatte er sie so einfach nach Berlin ziehen lassen? Zwar hatte auch er in der Zwischenzeit nicht im Zölibat gelebt. Aber wenn er wirklich einmal von einer Frau geträumt hatte, war ihm immer Simone erschienen.
    »Ist dein Vater noch mit der Roten zusammen? Mit Karin?«
    Kalle nickte. »Ich habe sogar noch einen Bruder bekommen. Ist jetzt bald fünf. Ein Wahnsinnstyp. Aber er saugt die beiden aus. Wenn ich sonntags mal was mit ihm unternehme, sind sie heilfroh.«
    »Sehnsucht nach eigenen Kindern?«
    »Zu stressig. Und vor allem: mit wem?«
    Sie atmete tief durch und wurde sachlich. »Kommen wir mal

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