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Achsenbruch

Achsenbruch

Titel: Achsenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Junge
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Faust kommen und versuchte noch, die Bauchmuskeln anzuspannen, aber es nützte nichts. Seine letzte Mahlzeit schoss die Speiseröhre hoch und mit vorgebeugtem Kopf spuckte er alles aus.
    Der Bulle sprang ein Stück zurück, wartete, bis Kalle aufhörte zu würgen und grinste ihn an: »Hör zu, mein Freund! Die richtige Antwort hätte gelautet: Ein asoziales Stück Scheiße, das einem Polizisten die Schuhe vollkotzen wollte. Wiederhol das!«
    Kalle konnte noch immer nichts wiederholen, sondern war voll damit beschäftigt, die Reste des Erbrochenen aus dem Mund zu befördern.
    »Ich höre nichts!«
    »Fick dich!«, keuchte Kalle.
    Der Typ lachte kurz auf und griff zu seinem Schlagstock: »Gerne doch! Dieses hübsche Ding fickt dich gleich in den Arsch!«
    »Aufhören!«, schrie eine Frauenstimme. »Schämen Sie sich, Herr Augstein. Sie sollen den Eindringling festnehmen – nicht zusammenschlagen! Sie sehen doch, dass er sich gar nicht wehren kann!«
    Gute Frau, dachte Kalle und bemerkte, dass Augstein zögerte.
    »Lass sein!«, knurrte jetzt auch Haggeney. Zumindest das schien er von Lusebrink gelernt zu haben: Man durfte sich keine Übergriffe vor zivilen Zeugen leisten!
    Er schaute noch einmal in das Gesicht des Festgenommenen, schien sich aber nicht an ihn zu erinnern und richtete die Lampe nun auf die Gartentreppe: »Los, da hoch!«
    Oben angekommen, hielt er ihn fest und blickte Beißners Sekretärin an: »Ist er das?«
    Sie nickte leicht, sah Kalle in die Augen und sagte dann bedauernd: »Junge, Junge, warum machst du nur so einen Blödsinn?«
    »Haben Sie etwa Mitleid mit dem Kerl?«, herrschte Augstein sie an.
    »Jetzt ja«, sagte sie. Sie zog ein Papiertaschentuch aus ihrer Handtasche und säuberte Kalles Gesicht.
    »Danke«, flüsterte er, ohne sie dabei ansehen zu können.
    »Los!«, kommandierte Haggeney. Sein Kinn zeigte, in welche Richtung Magers Sohn zu gehen hatte. Aber Augstein blieb noch bei der Frau stehen.
    »Junge Frau«, zischte er. »Was immer Sie gerade gesehen haben wollen – es ist nicht passiert. Sonst haben Sie alle Polizisten der Stadt zum Feind. Was meinen Sie, wie schnell dann Ihr Führerschein weg ist!«
    Draußen stießen sie Kalle, das Gesicht nach unten, auf den Rücksitz ihres Streifenwagens.
    »Wehe, du kotzt uns die Karre voll!«, drohte Augstein, als er sich hinters Steuer setzte.
    Aber in Kalles Magen war nichts mehr, was er hätte ausspucken können. Stattdessen wälzte er sich herum, bis er saß, registrierte den widerlichen Geschmack im Mund und hatte nur noch den Wunsch zu schlafen. Aber dafür war die Fahrt bis zum alten Verwaltungsgebäude der Henrichshütte zu kurz.
    »Raus mit dir!«
    Sie zogen ihn heraus, stellten ihn auf die Beine und dirigierten ihn ins Haus. Erst im hellen Licht des Wachlokals nahmen sie ihm die Handfesseln ab und Kalle rieb sich die schmerzenden Gelenke.
    »Ach nee!«, sagte eine tiefe Stimme. »Welch eine Überraschung!«
    Kalle sah erschrocken zur Seite. Auf einem Besucherstuhl thronte ein Fleischkloß, so fett wie eine Pommesbude, eine Tüte Gummibärchen in der Hand. Statt einer Uniform trug der Mann einen ausgebeulten Jogginganzug mit hübschen Biesen an Ärmeln und Beinen und an den Füßen leuchteten echte Drei-Streifen-Sneakers mit wunderschönen roten Schnürsenkeln. Als er wieder nach oben sah, erkannte Kalle das grinsende Gesicht.
    »Ich dachte, Sie wären in Rente«, konterte Kalle. »Zu Hause rausgeflogen?«
    Lusebrink lachte und warf ein paar Gummibärchen ein. Dann sagte er zu seinen Exkollegen: »Mensch, Leute, ein Mal im Jahr besuche ich euch und ihr bringt mir gleich einen Stammkunden. Schon wieder irgendwo eingebrochen?«
    »Ja«, bestätigte Haggeney.
    »Es gibt eben Leute, die lernen nix dazu. Geht’s dir gut, Junge?«
    »Wie man’s nimmt«, antwortete Kalle. »Aber in Ihren Händen habe ich mich, ehrlich gesagt, sicherer gefühlt als bei dem da!«
    Der Mann im Jogginganzug verzog das Gesicht: »Verstehe. Hat Augstein deinen Magen massiert? Macht er gerne. Aber tröste dich: Er hat so’n Spezialschlag, der hinterlässt kaum Flecken. Komm hier …«
    Er pflückte ein paar Gummibärchen aus seiner Tüte, ausschließlich rote, stand auf und drückte Kalle die klebrigen Dinger in die Hand: »Nimm! Dann schmeckst du die Kotze nicht mehr so im Hals. – Und ihr, Jungs, seid nett zu dem Burschen. Ist eigentlich ’n feinen Kerl. Aber hatte eine schwere Kindheit …«
    »Och!«, machte Augstein. »Misshandelt?«
    Lusebrink

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