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Achsenbruch

Achsenbruch

Titel: Achsenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Junge
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zeigen sie? Zwei Leute, die Sex miteinander haben!«
    »Eifersucht ist ein häufiges Tatmotiv.«
    »Ja, aber Sie halten Sonnenschein doch selbst für unverdächtig. Sonst hätten Sie die Frau festgenommen.«
    Lohkamp grinste nun: »Sollen wir alle Frauen festnehmen, die ihre untreuen Männer ertappt haben? Dann säßen mehr Leute im Knast als frei herumlaufen.«
    »Eben. Und das Dynamit von heute Morgen hat Sonnenschein entlastet. Sie waren einfach auf der falschen Spur und haben wichtige Fragen nicht gelöst.«
    »Wenn Sie das so sehen, kann ich Ihnen auch nicht helfen. Bin ich raus?«
    Dorn stützte ihre Ellenbogen auf den Tisch und sah ihn über die gefalteten Hände hinweg direkt an. Wunderbare Gesprächspsychologie, dachte er. Zeige dem anderen, dass du ihm wichtig bist und dass du es ehrlich meinst.
    »Im Normalfall wären Sie raus. Aber es ist ja der Wunsch Ihres Präsidenten, dass Sie uns helfen. Und es gibt noch ein paar Aufgaben, die Sie schaffen können, wenn Sie sich endlich darauf konzentrieren.«
    Irgendwann fällst auch du auf die Schnauze, Püppchen. Schade nur, dass ich wohl nicht dabei sein werde.
    »Woher Tariks Sprengstoff stammt, finden meine Leute und das LKA schon heraus. Sie können sich ja um die Herkunft des blauen Lkws kümmern. Aber aus allem anderen sind Sie raus. Und seien Sie froh, wenn die Sache mit diesem Journalisten kein Nachspiel hat. Ich danke Ihnen für das Gespräch.«
    Während der Glattrasierte den Abspann ins Tonband diktierte, verließen Lohkamp und Thalbach das Büro.
    »Arrogante Ziege«, sagte Katharina. »Aber sei vorsichtig. Sie hat nicht gesagt, dass die Sache kein Nachspiel haben wird.«
    Lohkamp nickte: »Habe ich mitbekommen. Und Danke für dein Kommen.«
    »Immer wieder gern«, lächelte sie und verabschiedete sich mit der Andeutung eines Winkens.
    43
    In den ersten Augenblicken stimmte das Aussehen des Untersuchungsrichters den Delinquenten hoffnungsfroh. Mit seiner John-Lennon-Brille, dem weißen Wallehaar und dem grauen Kranz, den eine Kombination von Schnurr- und Kinnbart um seine Lippen legte, erinnerte er Kalle Mager strukturell an seinen Vater: Kein Zweifel, der Typ musste auch in den wilden Jahren um 1968 herum studiert haben.
    Doch als er sich auf die Anklagebank gesetzt hatte, fielen Kalle nach und nach die Unterschiede auf. Das Haupthaar des Richters war perfekt gefärbt und gefönt, die freien Flächen zwischen Bart und Wangenknochen penibel geschoren, die Hände aufwendig manikürt. Dieses Manifest für Ordnungsliebe und Sauberkeitsfanatismus wurde nur noch von der silbernen Fliege getoppt, die er statt der üblichen Krawatte trug: Der Mann war nicht nur selbstverliebt, sondern wollte aus der Schar der Bochumer Richter als etwas Besonderes herausragen.
    Nee, dachte Kalle, der Typ hat vielleicht 68 studiert, aber ein echter 68er ist der nie gewesen. Und dieser Milchbart von Staatsanwalt da drüben weiß wahrscheinlich nicht einmal, was ein 68er ist.
    »Name?«
    »Kalle Mager.«
    Der Richter musterte ihn noch einen Moment und neigte seinen Kopf wieder über die vor ihm liegende Akte: »Hier stehen zwei Vornamen. Ein Kalle ist nicht dabei.«
    »Karl-Friedrich, Euer Ehren!«
    »Das heißt ›Herr Vorsitzender‹«, zischte Bochums bester Anwalt.
    Der Inhaber des Holzthrons nickte zustimmend und fuhr fort, das Ritual herunterzubeten: »Alter?«
    »Dreißig.«
    »Beruf?«
    »Doktorand.«
    »Ach«, machte der Herr der Dinge. »In welchem Fach?«
    »Geschichte.«
    »Über?«
    »Räuberbewegungen des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts als Ausdruck des Protestes gegen feudale Herrschaftsstrukturen.«
    Der Richter sah ihn missbilligend an: »Und dafür bekommt man ein Stipendium?«
    »Herr Vorsitzender«, mahnte BbA, ohne den Satz zu vollenden, doch der Chef des Verfahrens verstand ihn auch so: »Herr Mager, wie finanzieren Sie Ihr Leben?«
    »Ich arbeite als Kamera-Assistent bei einem freien Fernsehteam.«
    »Und ihr Monatsverdienst?«
    »Zwölfhundert brutto.«
    Der Vorsitzende diktierte Kalles Angaben auswendig ab, spielte sie vor und ließ sie durch Kopfnicken genehmigen. Dann beugte er sich über die dünne Akte, die vor ihm auf dem Tisch lag: »Wenn ich das Geschreibsel hier richtig verstehe, ist der Mann bei einem Einbruch erwischt worden, bevor er etwas entwenden konnten. Ist das korrekt, Herr Staatsanwalt?«
    Der Milchbart sah den Richter irritiert an, rang sich dann aber dazu durch, den Ausdruck Geschreibsel nicht gehört zu haben: »Die Hattinger

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