Acornas Welt
Angriffe der Vereinigten Streitkräfte des Mondes der Möglichkeiten. In den Berichten, die über die Nachschubkanäle kamen, hieß es, die Angriffe seien erfolgreich. War ein Khleevi-Schiff erst einmal mit Saft beschossen, blieb es nicht mehr lange flugtüchtig.
Andererseits erreichte auch ein seltsames Gerücht die Rankenwelt. Viele Khleevi-Schiffe, die gar keine Treffer abbekommen hatten, waren noch vor dem Angriff der Schiffe vom Mond der Möglichkeiten abgestürzt. Direkte Berichte von der Front waren selten und angespannt, also war Acorna nicht in der Lage gewesen, mit jemandem darüber zu sprechen, der vor Ort war, aber sie nahm an, dass ein Teil des Khleevi-Schwarms seit dem Angriff auf die Rankenwelt mit dem Saft infiziert war.
Die Schiffe vom Mond der Möglichkeiten hatten tatsächlich erst vor relativ kurzer Zeit angegriffen – vor weniger als achtundvierzig Stunden –, doch der seelische Schaden durch die telepathische Verbindung zwischen den Linyaari auf Narhii-Vhiliinyar und Aaris Eltern und der Besatzung der Balakiire hatte sich bereits gezeigt, als die erste Bombe der Khleevi die Oberfläche des Planeten traf.
Acornas Träume waren unruhig und beängstigend: Sie rannte, versteckte sich, wich aus, während rings um sie her ihre Welt zerfiel. Ein Teil ihres Geistes wusste, dass dies nicht nur ein Traum war. Dennoch, die Bande der Empathie, die sie mit ihren Freunden und Verwandten verbanden, begannen, auch sie in den Sumpf der Emotionen zu ziehen, die die Linyaari auf ihrem Heimatplaneten empfanden.
Plötzlich machten Schreie Acornas unruhigem Schlaf ein jähes Ende, und sie riss die Augen auf. Sämtliche Linyaari, auch Liriili und Aari, hatten laut aufgeschrien.
»Was ist denn?«, fragte sie und kam mühsam auf die Beine.
»Großmama«, rief Neeva.
»Großmama«, wiederholten Kaarlye und Miiri.
»Und Maati«, fügte Aari staunend hinzu.
In dem Augenblick, als Großmama in die Flammen sprang, schlief Maati ebenfalls. Sie und Thariinye hatten alle Hände voll damit zu tun, die Kinder zu beruhigen und sie wenn möglich von den Ängsten zu heilen, die sie doch schließlich mit ihnen teilten. Dass Hafiz und Karina sich ebenfalls ganz offensichtlich fürchteten, half dabei nicht besonders.
»Hört mal«, hatte Maati zu den anderen gesagt, »ich glaube, es gefällt den Khleevi, wenn sie uns Angst einjagen. Irgendwie macht ihnen das Spaß. Je mehr Angst wir also haben, desto mehr freuen sie sich. Können wir nicht versuchen, ihnen diesen Spaß zu verderben?«
Jana nickte verständnisvoll. »Ein paar Aufseher in den Minen waren auch so. Und Kheti hat gesagt, dass auch ein paar Kunden in den Freudenhäusern so waren. Es hat ihnen Spaß gemacht, die Mädchen zu ängstigen und ihnen wehzutun, denn das war es, was sie wirklich wollten, nicht Sex.«
»Ich kann nichts dagegen tun«, flüsterte Chiura und drängte sich an Jana. »Ich habe Angst.«
Karina Harakamian hörte auf zu zittern und versuchte, sich zusammenzunehmen. »Ich weiß was. Wir könnten zusammen singen. Kennt einer von euch das Lied ›Kum-ba-ya?‹ Es stammt aus der antiken Erdkultur und ist sehr hypnotisch.«
Keiner kannte es. Karina sang es ihnen vor. Es war ein langsames Lied, und alle schwankten dazu, wie sie es ihnen vormachte, aber es war zu langweilig. Es änderte nichts an ihrer Stimmung und nahm ihnen nicht die Angst.
Calum Baird, der nun nichts mehr zu tun hatte, meinte schließlich: »Das ist ein hübsches kleines Lied, Karina, aber jetzt haben wir es zwanzigmal wiederholt. Sollen wir mal was anderes versuchen? Ich kenne auch ein paar Lieder. Das hier habe ich mal von Giloglie gelernt, als wir sturzbesoffen waren.
Sein Volk hatte was für Lieder übrig. Wir haben das hier und ein paar andere immer Acorna vorgesungen, als sie noch klein war.«
Also brachte er ihnen alles bei, was er an alten irischen Volksliedern kannte, und Maati und Thariinye konnten endlich in einen erschöpften Schlaf sinken.
Und dann spürte sie die Flammen und hörte zum ersten Mal in ihrem Leben Großmama schreien, und auch sie erwachte schreiend. Thariinye schrie ebenfalls. Dann war Großmama irgendwie verschwunden, aber jemand anderes war in ihrem Kopf.
»Maati? Maati, wo bist du? Hier ist Aari. Sende weiter. Ich komme dich holen.«
Einundzwanzig
(Nein!) Maatis Gedanken waren laut und klar, und sowohl Aari als auch Acorna hörten sie, obwohl Miiri und Kaarlye beinahe sofort in ihre telepathischen Albträume zurückgesunken waren.
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