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Acqua Mortale

Acqua Mortale

Titel: Acqua Mortale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Foersch
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Alliierten zuerst Bologna befreien, ehe sie Richtung Norden vorrückten? Aber welchen Sinn sollte es für die Deutschen jetzt haben, ihre Zeit mit fünf lausigen Partisanen zuverschwenden, von denen drei noch nicht einmal eine automatische Feuerwaffe hatten? Warum erschossen sie sie nicht einfach? Aroldo suchte den Blick des Jüngsten. Ein rotblonder, hagerer Kerl, dem die Uniformärmel zu kurz waren. Sommersprossen, fast durchsichtige Brauen. An der Schulter ein grob gestopftes Loch. Ein Schuss, der ihn oder seinen Vorgänger getroffen hatte. Sein Koppel schnürte eine enge Taille ein, die fast feminin wirkte. Verlegen wich der Junge Aroldos Blick aus.
    Der Sturmbannführer holte wieder den Schürhaken, und diesmal drückte er die geschwungene Spitze, ohne jede Vorwarnung, in Stefanos linke Fußsohle. Das Fleisch zischte, qualmte und stank, und der Junge versuchte, seinen Schrei zu unterdrücken. Vergebens.
    Aroldo spürte den Schweiß auf seiner Stirn, instinktiv spannte er alle Muskeln an und stemmte sich gegen die Fesseln, aber er musste sich beherrschen. Ihre einzige Chance war, die Deutschen hinzuhalten.
    »Seit wann sind diese fünf Männer auf dem Hof ?«, fragte der Offizier den Bauern.
    »Lorenzo seit drei Jahren, die hier seit achtzehn Monaten, der seit einem halben Jahr.« Er wies mit dem Kinn auf die Kameraden und blieb am Ende an Aroldo hängen.
    »Der hier ist seit einem Monat da, seit seiner Verwundung.«
    Der Sturmbannführer blätterte in den Entlassungspapieren der italienischen Armee. Er ließ sich betont viel Zeit.
    »Schussverletzung am Bein, schlimme Sache. Da heißt es: Zähne zusammenbeißen beim Wandern, was?«
    Er nahm sein Fahrtenmesser vom Koppel und schlitzte Aroldos Hosenbein auf. Auf dem Quadriceps hatte die Kugel eine helle Delle hinterlassen.
    »Ich würde vorschlagen, wir lassen jetzt die Lügengeschichten.«
    Wieder zischte der Schürhaken, diesmal im rechten Fuß. Der Bauer konnte seine Tränen nicht zurückhalten.
    »Hast du uns etwas zu sagen?«, fragte der Sturmbannführer den Jungen. Stefanos Kiefer zitterte. Er schüttelte den Kopf.
    »Mein Sohn weiß nichts«, schrie der Bauer.
    »Was sollte er denn wissen?«
    »Warum nehmen Sie nicht mich?«, wimmerte der Vater.
    »Immer schön der Reihe nach«, antwortete der Sturmbannführer und legte den Schürhaken wieder in die Glut. Er hatte das Messer in die Scheide gesteckt, aber nicht mit der Lederlasche gesichert. Aroldo bewegte die Finger, damit sie nicht abstarben. Mit dem Fingernagel rieb er an den Fasern der Hanfschnur, die sich trocken splissen. Alleine würde er es nicht schaffen, den Sturmbannführer zu überwältigen und als Schutzschild zu nutzen. Aber er musste es trotzdem versuchen. Besser, sie starben bei einem Schusswechsel, schnell und schmerzlos. Er suchte den Blick Lorenzos und bewegte fast unmerklich die Arme. Lorenzo zwinkerte zwei Mal. Das hieß: Nein. Er konnte sich nicht befreien.
    Der Sturmbannführer folterte Stefano, holte ihn immer wieder mit Ohrfeigen und kaltem Wasser aus seiner Ohnmacht, bis er sich nicht mehr wecken ließ. Dann nahm er sich die Frau vor. Aroldo und seine Kameraden kannten die Gerüchte über die Methoden der SS , aber sie selbst waren nie gefoltert worden. Sie alle hatten sich geschworen, sie würden niemals weich werden, aber Aroldo fing zu zweifeln an. Er hielt sich mit den Gedanken an seinem Hass fest, der Hass musste stärker sein als die Angst. Er prägte sich jede Bewegung des Sturmbannführers ein, seine fast formvollendete schmale Nase, die rosa Lippen und den schlichten Ehering an der rechten Hand. Ich werde dich finden, sagte er sich immer wieder vor, ich werde dich finden, und gleichzeitig arbeiteten seine Daumennägel, die warm und feucht wurden von Blut.
    Plötzlich wurde das Haus von einem Donnerschlag durchgerüttelt, Kalk rieselte auf die beiden Leiber auf dem Tisch. Der Sturmbannführer hob seinen Blick von den weißen Waden derFrau und bedeutete einem seiner Männer, er solle ans Fenster gehen.
    »Mörsergranaten, Herr Sturmbannführer.« Das hieß, die Bodenoffensive war bis auf einen Kilometer herangekommen. Der Mann am Fenster war untersetzt und dunkelhaarig. Seine braunen Augen und die krausen Haare wirkten wie die eines Süditalieners. Und sein Deutsch klang holprig. Einer dieser Verräter, die sich an die Nazis verkauft hatten. Ein sanftes gleichmäßiges Brummen in der Ferne verriet, dass Truppenteile verlegt wurden. »Ich glaube, die Straßen Richtung Norden

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