Aetherhertz
riskant, aber Annabelle beschloss, es zu tun. Der Fund löste weitere Tränen aus, und Annabelle musste versprechen, das Buch zurückzubringen, aber sie bekam die Erlaubnis.
Sie ging zurück ins Institut und verbrachte den ganzen Nachmittag damit, zusammen mit Hans über die Todesursache zu grübeln. Sie machten jede Probe, die ihnen einfiel. Sie wälzten alle Bücher über das Thema und diskutierten verschiedene Theorien. Sie schauten sich wieder und wieder die Präparate an.
Annabelle flocht sich gerade ihren Zopf neu, da sie sich während einer Debatte die Haarnadeln herausgezogen hatte, um sie nach Hans werfen zu können (er hatte jede ihrer Theorien widerlegt), als Professor Schmidt ins Labor kam. Er wurde von einem Herrn in Polizeiuniform begleitet.
Er warf Annabelle einen prüfenden Blick zu und stellte dann den Herrn als Kommissar Schneider vor. Annabelle wurde knallrot, weil ihr klar wurde, was Professor Schmidt über ihre unordentlichen Haare denken musste.
„ Der Kommissar ist hier, weil er ein paar Fragen hat. Herr Schneider, das ist Fräulein Rosenherz.“
Der Kommissar war ein großer, breitschultriger Mann, der aussah, als hätte er einmal viel mehr gewogen und dann eine Menge abgenommen. Er hatte seltsam farblose Augen unter buschigen Augenbrauen. Annabelle kam er irgendwie leblos vor.
„ Ich untersuche den Tod von Frau Maria Gerber. Haben Sie bis jetzt irgendetwas herausfinden können?“ Seine Stimme war tonlos, seine Augen irrten im Raum umher.
„ Wir können uns keinen Reim auf die Ursache machen“, sagte Hans brav.
Professor Schmidt sah Annabelle an. Die nickte: “Wir haben alles mehrfach getestet. Es ist kein uns bekanntes Gift gewesen. Aber wir forschen weiter.“
Der Kommissar sagte nichts, dann räusperte er sich. „Es hat noch weitere Tote gegeben.“
Annabelle erschrak.
„ Wir brauchen Ergebnisse. Können Sie sie liefern?“, fragte der Kommissar.
Hans sah hilflos aus, aber Annabelle sagte schnell: “Natürlich. Wir brauchen so schnell wie möglich Proben von den anderen Toten.“
Der Kommissar holte ein fleckiges Taschentuch heraus und schnäuzte sich lang und umständlich.
Dann wandte er sich an Professor Schmidt.
„ Ich werde alles veranlassen.“
Die beiden drehten sich um und wollten schon den Raum verlassen.
„ Moment“, rief Annabelle. Die Männer hielten inne und sahen sie abwartend an. Professor Schmidt kniff nervös die Augen zusammen, aber Annabelle versuchte, nicht darauf zu achten.
„ Es wäre hilfreich zu erfahren, ob in den Krankenhäusern noch andere liegen, die vergiftet sind, aber noch nicht gestorben.“
Der Kommissar nickte langsam. Er räusperte sich und schaute auf seine Schuhspitzen, als gäbe es dort eine Botschaft zu lesen. Dann blinzelte er und sah Annabelle mit reglosen Gesichtszügen an. „Ich werde das veranlassen.“
Er drehte sich wieder um und verließ den Raum. Professor Schmidt folgte ihm, nachdem er Annabelle anerkennend zugenickt hatte.
Müde stellte Annabelle an diesem Abend ihren Schirm in die Ecke und streifte sich die Schuhe ab. Sie wollte nur noch etwas essen und dann ins Bett. Sie hatten immer noch kein konkretes Ergebnis, und ihre Gedanken kreisten um die armen Frauen. Annabelle rieb sich die Stirn und löste auf dem Weg zur Küche ihre Haarnadeln. Es war eine Erleichterung, als der schwere Zopf sich löste und sie steckte die Nadeln zwischen die Lippen, um die langen Flechten mit ihren Fingern auszukämmen. Sie freute sich auf die muckelig warme Küche und Frau Barbara würde um sie herum glucken und ihr einen Tee machen, oder eine heiße Milch mit Honig, oder …
Am Küchentisch, an ihrem Platz, saß Paul Falkenberg. Er hielt eine Tasse zwischen beiden Händen und hörte Frau Barbara aufmerksam zu, die ihm etwas scheinbar Lustiges erzählte. Als Annabelle eintrat, sahen beide lächelnd zu ihr hoch. Paul stand schnell auf und begrüßte sie formvollendet.
Annabelle nickte mit den Haarnadeln im Mund und versuchte ihre verhedderten Finger aus ihren Haaren zu puzzeln. Sie setzte sich. Eine peinliche Pause entstand.
„ Möchtest du was Essen, Liebes? Du bist aber spät dran. Ich habe mir schon Sorgen gemacht!“, begann dann Frau Barbara routiniert.
„ Wir haben viel Arbeit gehabt“, sagte Annabelle, als sie endlich sprechen konnte, nachdem sie die letzte Haarnadel in den schnell wieder geflochtenen Zopf steckte.
„ Was machst du denn da immer? Ich finde ja, die nutzen dich aus. Ich habe schon immer
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