Alantua
Kwarren“, sagte er eindringlich. „Hattet
Ihr nicht auch das Gefühl, niemals wirklich zu jemandem zu
gehören und von niemandem wirklich verstanden zu werden?“
„Ich
verstehe nicht, was Ihr meint“, sagte ich kühl.
„Doch,
das wisst Ihr. Unser Wesen unterscheidet uns von den übrigen
Menschen. Wir sind Einzelgänger und doch sehnen wir uns nach
jemandem, der uns versteht. Und noch mehr verbindet uns, süße
Bärin. Wir sind stolz, lieben den Kampf und die Stärke. Uns
beiden wurde ein geliebter Mensch genommen.“
Das
unbehagliche Gefühl wurde zur Gewissheit. Meine Sinne warnten
mich. Unter normalen Umständen hätte ich den Saal nun
verlassen. Doch ich konnte nicht, nicht vor den Augen der Gäste,
die allesamt Zeugen meines Frevels wären. Ich konnte den
zukünftigen König von Kantú nicht einfach stehen
lassen. So schwieg ich, löste aber meine Hand aus seiner.
„Euer
Vater hatte den Tod nicht verdient. Er kämpfte nur für das
Recht seines Volkes, für die Stämme im Norden.“
Was
wusste er schon von meinem Vater? Nein, ich durfte seine Worte nicht
zu mir durchdringen lassen. Phiol hatte mich gewarnt. Arthano war
grausam und er nutzte jede Schwäche.
„Meine
Mutter kämpfte ebenso. Für ihr eigenes Recht. Sie war die
Ehefrau des Königs. Doch Martrella demütigte sie und stieß
sie auf den Rang einer unbedeutenden Hure.“ Arthano packte mich
an der rechten Schulter. Sie war längst verheilt, doch seine
Berührung verursachte den gleichen Schmerz wie seine Worte.
„Martrella ließ Euren Vater töten und sie ist ebenso
Schuld an dem Tod meiner Mutter.“
War
er deshalb so grausam? Stammte der Hass auf Alantua aus einer Tat,
die meine Mutter begangen hatte? In der Tat wusste ich nichts über
Arthanos Mutter. Sein Vater hatte vor etwa dreißig Jahren mit
meiner Mutter Frieden geschlossen. Sie hatten den Frieden besiegelt
mit der Hohen Hochzeit und aus dieser Verbindung war Phiol
entstanden.
Arthano
spürte meine Zweifel. „Ich war gerade einmal zehn Sommer
alt, als meine Mutter vor meinen Augen hingerichtet wurde. Seht Ihr
nicht, was uns verbindet?“
Seine
Haut brannte auf der meinen. Ich befreite mich aus seinem Griff und
wich zurück. „Uns verbindet gar nichts“, sagte ich
leise. „Nichts!“
Die
Grausamkeit in seinen Augen machte mir Angst. Noch mehr Angst machte
mir jedoch, dass ich nicht wusste, was er von mir wollte. Ich war nur
Kwarren, die ungeliebte Tochter der Königin von Alantua.
Die
Tänzer um uns herum hatten längst aufgehört zu tanzen.
Und auch die Aufmerksamkeit der anderen Gäste lag auf uns.
Arthano gab den Musikern ein Zeichen, endlich ihr Spiel zu beenden.
Nun konnte jeder unsere Worte hören. Er beugte das Knie vor mir
und ich wich noch weiter zurück.
„Prinzessin
Kwarren von Alantua, erweist Ihr mir die Ehre, meine Frau zu werden?“
Alles
um mich herum verschwamm. Ich nahm nur noch Einzelheiten wahr. Jemand
klatschte begeistert in die Hände. Malja stand bei Phiol, eine
Hand beruhigend auf ihre Schulter gelegt. Ty hatte nur noch Scherben
seines Weinkelches in der Hand. Der rote Wein tropfte von der weißen
Tischdecke wie Blut. Und Arthanos stechende Augen fixierten mich.
Wie
konnte ich ablehnen? Wie konnte man höflich den Heiratsantrag
eines Königs ablehnen? Alle hatten seine Worte gehört und
warteten nun auf meine Antwort. Am liebsten hätte ich ihn die
Sprache meiner Dolche spüren lassen. In Balladen aus fernen
Ländern wussten hochwohlgeborene Damen stets eine passende
Antwort. Und so entschied ich mich.
Mir
war sowieso flau im Magen. Ich musste nur der Schwäche in meinen
Knien nachgeben, schloss die Augen und ließ mich zu Boden
sinken. Meine vorgetäuschte Ohnmacht war besser, als jede
verbale Antwort, die ich ihm in diesem Moment gegeben hätte.
***
„Du
kannst ihn nicht heiraten!“ Meine Schwester war in einem sehr
aufgelösten Zustand. „Wir müssen fliehen, sofort!“
„Das
geht nicht.“ Ich lag auf dem Bett, das wir uns teilten und
hatte ein feuchtes Tuch auf mein Gesicht gelegt. Zwar war die
Ohnmacht nur vorgetäuscht, die Kopfschmerzen hatte ich aber
wirklich. Es gab zu viel nachzudenken. Das Chaos in meinem Kopf war
zu groß. „Arthano hat die Bucht von seinen Kriegsschiffen
abriegeln lassen. Die
Goldsonne
ist für uns unerreichbar.“
„Woher
weißt du das?“ Malja trat an das Bett. Ich konnte sie mit
den Zähnen knirschen hören.
„Kapitän
Dannerr hat es mir erzählt.“
„Was
hat er hier zu suchen? Hast du ihn
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