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Alaska

Titel: Alaska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Albert Michener
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von etwa zwei Dutzend dunkelhäutigen Männern, in dicke Felle eingehüllt, über das Eis auf sie zukommen.
    »Haltet euch bereit!« sagte Kapitän Pym mit leiser Stimme, aber Atkins, der eine gute Sicht auf die anrückenden Männer hatte, rief: »Sie sind unbewaffnet!«, und im nächsten Augenblick, voller Spannung, hatten die Neuankömmlinge die Amerikaner auch schon erreicht, starrten verwundert die weißen Gesichter an und fingen dann an zu lachen.
    In den Tagen danach erfuhren die Amerikaner, dass die Männer nicht weit entfernt vom Schiff lebten, in einem Dorf, das aus dreizehn Erdhütten bestand, in denen siebenundfünfzig Menschen wohnten, und zu ihrer großen Erleichterung konnten sie feststellen, dass die Bewohner friedliche Absichten hegten. Es waren Eskimos, direkte Nachfahren jener Abenteurer, die Oogruk vierzehntausend Jahre vorher aus Asien gefolgt waren. Sechshundertsechzig Generationen trennten sie von Oogruk, und im Laufe der Jahrhunderte hatten sie sich weitere Fähigkeiten angeeignet, die ihnen fast 500 Kilometer nördlich des Polarkreises nicht nur ein Überleben, sondern sogar eine gewisse Blütezeit ermöglichten.
    Die Amerikaner stieß die Dürftigkeit des Lebens, das die Eskimos führten, zunächst ab, vor allem die offenkundige Armut ihrer halb unterirdischen Behausungen, überdacht mit Walknochen und Seehundfellen, aber dann lernten sie schnell schätzen, auf welch kluge Weise sich die stämmigen kleinen Menschen ihrer unwirtlichen Umgebung angepasst hatten, und waren verblüfft von dem Mut und dem Geschick, das die Männer an den Tag legten, wenn sie sich raus aufs Eis wagten, um dem gefrorenen Meer ihren Lebensunterhalt abzutrotzen. Tief beeindruckt waren die Matrosen jedoch, als etwa ein halbes Dutzend Männer aus dem Dorf ihnen half, aus dem Material, das dort vorzufinden war, Walknochen, Treibholz und Seehundfelle, eine besonders lange Hütte zu bauen. Als sie fertiggestellt war, groß genug, dass alle zweiundzwanzig Amerikaner darin Platz hatten, bot sie ihnen einigermaßen bequemen Schutz gegen die Kälte, die bis auf 45 Grad unter Null absinken konnte. Dann sahen die Matrosen, was sich diese kleingewachsenen Männer, kaum einer größer als 1,60 Meter, auf die Schulter luden, als sie halfen, den Proviant und die Ausrüstung der Brigg an Land zu tragen, und das schüchterte sie endgültig ein. Als alles verstaut war, richteten sich die Amerikaner auf einen Winter ein, wie sie ihn aus Neuengland gewohnt waren, vier Monate Schnee und Eis, aber wie erstaunt und auch erschreckt waren sie dann, als Atkins durch Verständigung mit der Zeichensprache erfuhr, dass sie damit rechnen mussten, neun oder sogar zehn Monate eingefroren zu sein. »Mein Gott!« stöhnte ein Matrose. »Vor Juli nächsten Jahres kommen wir hier nicht raus?«, und Atkins antwortete: »So habe ich ihn verstanden, und er muss es ja wissen.«
    Einen ersten Beweis dafür, wie trefflich die Eskimos das gefrorene Meer zu nutzen verstanden, lieferten sie, als einer der kräftigen jüngeren Männer, Sopilak mit Namen, von der Jagd mit der Nachricht heimkehrte, dass man ein paar Kilometer vor der Küste einen ungeheuren Polarbären gesichtet hätte. Im Handumdrehen bereiteten sich die Eskimos auf eine große Jagd vor, aber blieben noch so lange, bis ihre Frauen Kapitän Pym, in dem sie den Anführer erkannten, den Obergefreiten Atkins, den sie auf Anhieb mochten, und den stämmigen Harpunier Kane mit der angemessenen Kleidung ausgestattet hatten, die sie gegen Schnee und Eis und Wind schützen sollte. Eingewickelt wie Eskimos in unförmige Felle, begaben sich die drei Amerikaner über das öde Land, dessen bizarre Formen das Fortkommen schwierig machten. So ein Marsch über das Eis ließ sich mit einer Wanderung über einen gefrorenen Tümpel oder zugefrorenen Fluss in Neuengland keinesfalls vergleichen, denn das hier war urzeitliches Eis, entstanden in den Tiefen eines salzigen Ozeans, durch plötzlichen Druck in die Höhe geschleudert, von Kräften zerborsten, die von allen Seiten wirken, ein gequältes, zu irrsinnigen Skulpturen gehauenes Eis voller gezackter Formen und riesiger, weiter Schwünge, die sich scheinbar aus den Urtiefen erhoben. So etwas hatten sie noch nie gesehen und sich auch nicht vorstellen können: das Eis der Arktis, explosiv bei Nacht, wenn es sich bewegte und verschob, krachend aufbrechend, von gewaltiger Zerstörungskraft und in dem gräulichen, sich endlos ausdehnenden Nebel eine konstante

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