Alaska
Bedrohung.
Auf diesem Eis also machten sich die Männer von Desolation Point auf, den Bären zu jagen, aber nach einem ganzen Tag Spurensuche hatten sie noch immer nichts gefunden, und da in diesen ersten Oktobertagen die Dämmerung unerwartet schnell hereinbrechen konnte, warnten sie die Seeleute, dass sie die Nacht wahrscheinlich weit draußen auf dem Eis verbringen mussten und dass sie nicht sicher sein konnten, den Bären jemals zu finden. Kurz vor der Dunkelheit jedoch kam Sopilak zurück, mit seinen Schneeschuhen dahergestapft: »Nicht weit von hier!«, und die Jäger schlichen sich näher an ihre Beute heran. Doch der Bär war ein gerissenes Tier, und bevor irgendjemand ihn auch nur zu Gesicht bekommen hatte, floh der Bär in der Dunkelheit.
Atkins, der sich dicht an Sopilak hielt und die Sprache der Eskimos scheinbar mühelos erlernte, bewegte sich behutsam, seine Kameraden zur Vorsicht mahnend: »Sie warnen uns. Der Bär ist gefährlich. Völlig weiß. Schleicht sich heran wie ein Geist. Nicht weglaufen! Man hat keine Chance. Bleibt, wo ihr seid, kämpft und ruft nach den anderen.«
»Hört sich gefährlich an«, sagte Kane, und Atkins antwortete: »Ich glaube, sie wollten mir damit sagen, dass sie meist ein oder zwei Männer verlieren, wenn sie einen Bären verfolgen.«
»Sie, ich nicht«, sagte Kane, und Atkins empfahl, dass die drei Amerikaner in dem bevorstehenden Kampf zusammenblieben: »Wir haben Gewehre. Es ist besser, wir sind bereit, sie auch zu nutzen.«
Während der Nacht schliefen die Amerikaner und die meisten Eskimos nur sehr unruhig, und Sopilak schlief überhaupt nicht, denn er hatte schon zusammen mit seinem Vater Polarbären gejagt und miterleben müssen, wie eines dieser weißen Tiere, doppelt so groß wie ein Mensch, wenn es sich auf den Hinterbeinen zu seiner vollen Größe erhob, einen Jäger mit einem einzigen Hieb seiner Tatze niedergeworfen hatte. Der Bär hatte den Mann auf das Eis geschleudert und dann mit allen vieren den Leib des Getöteten aufgerissen. Der Mann und seine Kleidung wurden zerfetzt, den Bären konnte man nicht erlegen.
Aber es hatte auch andere Jagden gegeben, mit Sopilak als Anführer, auf denen sie die Spur dieses ungeheuren Tieres, traumhaft schön wie ein Schneesturm, tagelang verfolgt und es schließlich durch Klugheit und Mut zur Strecke gebracht hatten. Als die Morgendämmerung anbrach, gab Sopilak Atkins die Anweisung: »Sag deinen Männern, sie sollen mir Zusehen und es mir nachtun«, und obwohl der Seemann versuchte, dem Eskimo zu erklären, dass die Amerikaner über Gewehre verfügten, wodurch sie entschieden im Vorteil sein würden, sollte es zu einem Kampf kommen - und mochte Atkins in der Dunkelheit seinen Arm auch noch so oft heben und »Peng! Peng!« rufen, Sopilak verstand ihn nicht. Er sah nur, dass sie keine Knüppel oder Speere bei sich trugen, und fürchtete um ihre Sicherheit.
Das kalte, mattsilbrige Licht des Tages brach an, da signalisierte ein Späher im Norden, dass er den Polarbären in Sicht hatte. Keiner der drei Amerikaner sollte die nächsten Augenblicke jemals in seinem Leben vergessen. Kaum waren sie um einen riesigen, hoch über der gefrorenen Wasseroberfläche aufgeworfenen Eisblock herumgelaufen, da erblickten sie vor sich eines der majestätischsten Geschöpfe der Welt, ein Tier so großartig wie die Mastodonten und Mammuts, die einst, nicht weit von dort, über die Brücke nach Alaska eingewandert waren. Es war ein riesiges Tier - so weiß, dass es sich vom Schnee kaum abhob, und von einer schwerfälligen, aber doch wieder grazilen Behändigkeit, die einem das Herz stocken ließ. Der Anblick von Schönheit und zurückgehaltener Kraft, den der Bär bot, als er sich jetzt entfernte, war einfach überwältigend. Ein wahrer König unter den Tieren, schien er eins zu sein mit der Eisdecke und dem gefrorenen Himmel. Ein leichter Schnee setzte ein, als sich der Tag aufklärte, und ließ die Jagd, die Sopilak und seine Männer nun eröffneten, noch mehr zu einem Traum werden.
Der Polarbär, einzigartig, was Farbe, Größe und Schnelligkeit betraf, lief noch jedem Jäger davon und konnte außerdem kopfüber in jene unerklärlich offenen Wasserlöcher in der Eisdecke tauchen, kraftvoll an die andere Seite paddeln, mit erstaunlicher Geschicklichkeit wieder herausklettern und sich in andere Eisgebiete flüchten, in die ihm die Männer nicht mehr folgen konnten. Wenn ihm jedoch ein halbes Dutzend Männer zu Leibe rückte, mit
Weitere Kostenlose Bücher