Alicia II
noch du ausführen. Der menschliche Faktor kann den ganzen Plan zum Scheitern bringen, das ist eine alte Erfahrung.«
»Ich weiß, ich weiß. Ich beklage mich ja nur, weil es mir zu langsam dauert, weil ich es gern hinter mich bringen möchte. Und von dem Absorber habe ich genug. Ich möchte nicht gern noch einmal unter den Helm.«
»Das geht jedem nach einer Weile so. Die Anhäufung von Wissen, ganz gleich, welcher Art, hat eine drogenähnliche Wirkung. Zuerst ist das aufregend, und man möchte noch mehr und noch mehr. Dann fängt es an, einen zu bedrücken. Man möchte damit bald zu Ende kommen oder die Sache abbrechen. Ich selbst muß regelmäßig Urlaub vom Absorber nehmen.«
»Noch etwas, wo ich schon einmal dabei bin, mich zu beschweren: Ich habe festgestellt, daß sich in die Daten einiges an Propaganda über die Sache der Ausgemusterten eingeschlichen hat. Das gefällt mir nicht.«
»Wie kommt das?«
»Ach, Ben, du weißt, wie das kommt. Ich will nicht konditioniert werden, verdammt noch mal. Ich habe die Mission übernommen, dabei wollen wir es lassen. Zwing mich nicht zu dem Glauben, daß das, was ich tun muß, irgendwie gerechtfertigt sei. Wenigstens möchte ich nicht, daß mir dieser Glaube einprogrammiert wird. Wenn ich schon diesen oder jenen Glauben erwerben soll, möchte ich es selbst tun.«
Ben legte die Finger gegeneinander und murmelte: »Interessant.«
»Was ist daran interessant?«
»Ich habe dir gesagt, der Absorber würde dir Wissen vermitteln, und das war die Wahrheit. Ich steuerte das Material über Geschichte und Philosophie der Sache bei, um dir die Mission in der richtigen Perspektive zu zeigen. Meine Absicht war nicht, dich hinterlistig mit Propaganda zu berieseln. Interessant daran ist nun, daß dein Widerstand dagegen so stark ist. Deshalb siehst du es als Konditionierung an, was es nicht ist.«
»Ich wünschte, in dem Punkt könnte ich sicher sein.«
»Also vertraust du mir nicht.«
»Nicht vollständig.«
»Das ist wahrscheinlich nur klug. Selbst für dich bin ich nicht vollständig vertrauenswürdig, und mir ist es angenehm, daß dir das klar ist. Trotzdem habe ich dir über den Absorber die Wahrheit gesagt. Er ist kein Konditionierungsgerät. Etwas in deinem Kopf übersetzt das Material über die Ausgemusterten in Propaganda. Wie dem auch sei, ich werde das Programm entsprechend ändern.«
»Nett von dir.«
»Nicht der Rede wert. Machen wir noch ein paar Liegestütze.«
»Das ist nicht nötig, Ben. Ich bin körperlich in bester Form, das weißt du selbst. Sobald ich die Einladung zu der Besichtigungstour erhalten habe, fahre ich mit den Übungen fort.«
»Du fährst jetzt damit fort.«
»Ben, ich bin ganz fertig.«
»Nicht laut meinen Informationen.«
»Verdammt, ich bin kein Computer-Ausdruck.«
»Los!«
Wenn ich auf Ben wütend war, brachte ich für gewöhnlich ein paar Liegestütze mehr zusammen.
3
»Hast du lange auf mich gewartet, Voss?«
»Nicht länger als üblich.«
»Sei nicht so empfindlich. Ich habe versucht, dich zu erreichen. In eurer Suite hat sich niemand gemeldet.«
»Kein Wunder. Ben hatte mich und Stacy seit dem frühen Morgen in der Tretmühle.«
»Du Armer! Aber du siehst besser aus.«
»Alicia …«
»Ich weiß, das war eine dumme Bemerkung. Aber in gewisser Weise ist es wahr. Deine Augen waren früher ein wenig trübe. Du weißt schon, geheimnisvoll und dunkel. Jetzt siehst du wach aus. Sogar ein bißchen fanatisch – entschuldige den Ausdruck.«
»Gehen wir irgendwohin. Ich kann nicht mehr stillsitzen.«
»Ich auch nicht. Ich würde gern tanzen.«
»Gern, aber ich bin außer Übung.«
»Das macht nichts, ich habe sowieso kein Gefühl für Rhythmus. Ich kenne ein Lokal in der Nähe des Flusses. Laß uns dorthin gehen.«
»Welchen Beruf hast du in letzter Zeit ausgeübt?«
»Das weißt du doch.«
»Nein. Weiß ich nicht.«
»Den Washingtoner Beruf. Ich habe wie eine Wilde an öffentlichen Entlassungen aus der Erneuerungskammer gearbeitet, die als Propaganda für die Erneuerten gedacht sind. Ich werde richtig gut darin. Vielleicht bringe ich im Endeffekt mehr Ausgemusterte auf die Seite des Systems als umgekehrt. Verdammt.«
»Ich brächte es nicht fertig, eine Doppel-Identität aufrechtzuerhalten.«
»Ach, das ist leicht. Trotz deines finsteren Argwohns verfolgt heutzutage niemand mehr besonders intensiv, was ein anderer tut. Agenturen, die gelegentlich eine Geheiminformation erhalten, wissen im allgemeinen
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