Alle Toten fliegen hoch: Amerika
letzter Sekunde den alles entscheidenden Siegtreffer erzielt. Ich sah, wie Stan und Hazel auf der Tribüne aufgesprungen waren, als Einzige!, sich umarmten und auf der Stelle hüpften. Doch da stand noch jemand. Maureen winkte mit einem Plainsmenfähnchen. Es wurde ein Tusch gespielt, die Cheerleader schwenkten ihre Puschel und riefen: »Go, German, go!« Für mich war es ein Triumph, für meine Mannschaft ein Desaster. Nach dem Spiel kam es zwischen Coach Carter und Benny Wiseman zum Eklat. Carter warf ihm vor, kein Teamplayer zu sein, stets nur auf seinen Vorteil hin zu agieren und durch seine selbstverliebte Spielweise allen zu schaden. Es war absolut ein Tabu, dem Coach zu widersprechen, doch Benny rief: »Come on! Twentyeight points ain’t so bad!« Carter brüllte: »I give a shit on that! Twentyeight points? Who cares? What for? We lost the game, selfish asshole.« Er drehte völlig durch: »You fuck up my team!« Mit voller Wucht trat er knapp neben Benny Wisemans Bauch eine Delle in die Spindtür und verließ den Raum. Um ein Haar wäre dieser zornige Riese beim Verlassen der Kabine mit dem Kopf gegen den Türrahmen geknallt. Doch er erkannte die Gefahr gerade noch rechtzeitig, senkte, als wäre es eine schwere ihm auferlegte Prüfung, sein Veteranenhaupt, trat durch die Tür, richtete sich wieder auf und ging. Gegen Sheridan in der eigenen Halle zu verlieren war eine Schande.
Als wir drei Wochen später in Sheridan mit vier Punkten Vorsprung gewannen und die Schmach tilgten, tanzten wir in der Kabine im Kreis um den strahlenden Carter herum. In der Dusche seiften wir uns ein und kämpften miteinander. Wir waren nackt, glitschig und stolz. Vor diesem Revanchespiel hatten wir uns in einem martialischen Akt der Kampfbereitschaft in Tim Hogans Zimmer die Haare abrasiert. Das war schrecklich für mich. Weil aber alle mitmachten, traute ich mich nicht, Nein zu sagen. Jerry fuhr mir mit der Schermaschine über den Kopf, und meine Goldlocken fielen zu Boden. Als wir aus den Katakomben in die Halle einmarschierten, ging ein Raunen durch die feindlichen Zuschauer. Nach der Schlacht reichte Coach Carter Benny Wiseman die Hand und dankte ihm für sein großes Spiel. Ich hatte nicht auf den Platz gedurft, dafür aber Matt zum Weinen gebracht. Er redete ununterbrochen auf mich ein, legte mir jedes Mal, wenn er etwas wollte, von hinten die Hand auf die Schulter: »Hey German, something to drink?« »Hey German, you are hot today!« »Hey German, little massage?« »Hey German, kick their ass!« »Hey German, nice haircut!« Ich stand auf und schlug ihm die Wasserflasche aus der Hand: »Shut up, Matt! Stop talking to me!« Matts Gesicht fing an zu zittern: »Oh sorry, sorry, sorry!« »Matt! Never touch me again!« Er duckte sich und zwinkerte mit den Augen: »Oh, sorry, sorry, sorry!« »Leave me alone, Matt! I don’t need you!« Die Tränen liefen ihm im Zickzack über die zuckenden Wangen. Ich drehte mich zurück und feuerte Jerry an, der gerade seinen zweiten Freiwurf eiskalt im Netz versenkte.
Während der gesamten Basketballsaison gelangen mir in keinem einzigen Spiel mehr als zwei Punkte, nie mehr als ein einziger armseliger Korb! Darunter litt ich sehr. Doch in der Abwehr wurde ich besser und besser. Meine Spezialität war es, mich von einem Angreifer über den Haufen rennen zu lassen und dadurch ein Stürmerfoul zu provozieren. Nicht sehr elegant, aber effektiv. Meinen schönsten Korb warf ich gegen Cheyenne East. Wir führten neunundsiebzig zu vierundfünfzig. Die Gegner waren ausgepumpt, vertrugen die Höhe nicht – die Höhe war stets unser größter Heimvorteil – und verteidigten nur noch halbherzig. Ich bekam den Ball zugespielt, dribbelte einen Bogen, ohne dabei nach unten zu schauen, überquerte links die Dreipunktelinie, bremste vor der Freiwurfzone scharf ab, war dadurch meinen Gegenspieler los, sprang hoch und warf auf den Korb. Der Ball rauschte durchs Netz, ohne den Ring zu streifen. Nach diesem Geräusch war ich süchtig. Dieses Geräusch war für mich wie für jeden Basketballer ein Hochgenuss. Es gibt keine andere Sportart, in der ein Treffer so schön klingt. Alles hatte gestimmt. Die Täuschung, das Timing, die Technik. Ein perfekter Wurf. Trotz des hohen Tempos, trotz der auf dem Spielfeld herrschenden Hektik dank einer guten Technik die Übersicht nicht zu verlieren, trotz der Erschöpfung, trotz des Körpereinsatzes sich durchzusetzen, abzuspringen und schlagartig beim Wurf zur Ruhe zu
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