Alles außer Sex: Zwischen Caipirinha und Franzbranntwein (German Edition)
dafür dennoch böse Mumien-Blicke und gelangweilte Mauligkeit. Auch Chicas Anwesenheit konnte nicht verhindern, dass ich die letzten Tage und Abende in meiner Küche als Isolationshaft empfand.
Darum hatte ich mich für den gestrigen Abend mit meinen Freundinnen verabredet. Seit über zehn Jahren treffe ich mich mehr oder weniger regelmäßig mit Lachmöwe Doro, der männerhassenden Anka, mit der sparsamen Petra und der schönen Single-Suse. Ich liebe diese ungezwungenen Abende, an denen wir über fast alles reden können, was wir an anderer Stelle niemals zugeben würden. Stundenlang quatschen wir über alle möglichen Probleme, tauschen delikate Erlebnisse und unsere Ansichten dazu aus. Ich vermute mal, dass Frauen so etwas auf der Suche nach sich selbst einfach brauchen: den Austausch und Abgleich von Auffassungen und die Korrektur alter Annahmen durch neue Sichtweisen.
Ich tratsche nicht nur mit meinen Freundinnen beim Kaffee. Ich plaudere mit Zuschauern nach meinen Comedy-Vorstellungen, diskutiere mit Kumpel Ronny, quatsche mit meiner Schwester Alexandra und unterhalte mich bei einem Glas Wein eine ganze Nacht lang mit meinem Carsten. Wir Frauen brauchen permanente Kommunikation. Manche Männer glauben, die weibliche Spezies ändere während dieser Gespräche wieder und wieder ihre Meinung. Aber das scheint nur so. Wir ändern nicht ständig unsere Meinung, sondern wir entwickeln immer neue Meinungen aus unserer ersten Meinung, während wir etwas erzählen. Das ist bei uns Frauen einfach so. Wir wissen immer erst, was wir gedacht haben, wenn wir gehört haben, was wir gesagt haben. Das verunsichert Männer natürlich. Die wissen dann gar nicht, welches Problem sie für uns Frauen lösen sollen, wenn sich die Problemlage ständig ändert.
***
Ich freute mich riesig, meiner Pflegestation und dem darin vor sich hin leidenden, unkommunikativen Patienten entfliehen zu können, und machte mich gestern Abend auf den Weg in die Cuhibar. Ich brauche nur wenige Minuten zu Fuß in Potsdams Stadtzentrum. Ich schlenderte am zunehmend verfallenen ehemaligen Hans Otto Theater in der Zimmerstraße vorbei und ließ unter meinen Füßen das Herbstlaub rascheln. Nur fünf Minuten später betrat ich die kleine Bar, deren Wände mit Bildern und Zeitungsausschnitten aus Kuba bestückt sind. Die Cuhibar ist ein kleines Stück Süden im kalten Deutschland. Carsten und ich hatten sie nach unserer KubaReise vor zwei Jahren entdeckt und sind seitdem Stammgäste mit eigenem Bild an der Wand.
Ich war wie immer die Erste unserer Mädelsrunde und setzte mich an den Tisch, direkt unter das Foto von Carsten und mir in einem offenen Mercury, 57er Baujahr. Der Blick auf das Foto spülte mir sofort wehmütige Erinnerungen an unseren ersten gemeinsamen Urlaub in die Augen. Heulsuse, beschimpfte ich mich. Der Kloß im Hals blieb. Wir waren damals so glücklich und gesund! Sommer, Sonne, Endorphine!
Ein harter Schlag auf die Schulter weckte mich aus meinen Träumen. Die sparsame Petra war nach mir die Zweite, die sich zum Tratschabend unserer Mädchengruppe einfand. Wir kennen uns schon ziemlich lange. Sie hat mit mir zusammen BWL studiert. Petra trug Jeans und T-Shirt und wirkte ein wenig verwirrt. Eigentlich wie immer.
»Was ist los, liebste Freundin? Stress im Amt?«
»Ich komme gerade von meiner Schwiegermutter!«
Damit war mir alles klar. Die Mutter von Petras Lebensgefährten war seit über zwanzig Jahren ihr Lieblings-Aufreger. Trotzdem kümmerte sie sich, solange ich denken konnte, um die alte Dame und ärgerte sich nach jedem Besuch über deren Boshaftigkeiten.
Kaum war das Wort »Schwiegermutter« über Petras Lippen gekommen, stand Lachmöwe Doro am Tisch und kicherte.
»Hahahaha, Schwiegermutter, ich wäre froh, wenn ich eine hätte!«
»Na, dann fang mal mit der Suche an, bevor du in die Wechseljahre kommst!«, erwiderte ich frech und hatte unser Vitamincocktail-Gespräch im Hinterkopf.
Petra hatte keine Zeit, unsere Sticheleien zu verstehen, denn auch meine alte Jazzdance-Freundin Suse trudelte ein.
»Hallo Mädels! Alles schick?«
Suse war auf jeden Fall schick. Ihre langen blonden Haare waren toll frisiert, sie trug als Einzige von uns einen Rock und wirkte sehr feminin. Immer wenn ich Suse treffe, frage ich mich, warum gerade sie seit einem Jahr unbemannt durchs Leben geht. Sie ist so eine taffe, tolle Frau, die in ihrem Beruf als Dolmetscherin doch bestimmt viele und interessante Männer trifft.
Anka kam wie immer
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