Alles Glück kommt nie
flachen Hand an die Stirn und trat auf ihn zu, um ihn zu umarmen.
Wenig später kam Mathilde. Sie war mit ihren Freundinnen auf dem Flohmarkt gewesen und schloss sich sofort in ihrem Zimmer ein, warf ihnen ein »n’Abend« und ausgetretene Ballerinas zu.
Laurence seufzte verärgert und vermutlich auch ein wenig erleichtert darüber, dass sie nicht die Einzige war, die ihn vernachlässigte.
Doch im selben Moment kam Miss Luftzug mit einem riesigen Paket, das mehr schlecht als recht in Zeitungspapier eingewickelt war.
»Ich kann dir sagen, ich hab mir ganz schön den hmm-hmm aufgerissen, um ein Geschenk für dich zu finden!«
Das sie ihm mit einem breiten Lächeln überreichte. »Meine ganzen Samstage sind dafür draufgegangen!«
»Wie? Ich dachte, du lernst mit Camille für deine Prüfung!?«, erwiderte ihre Mutter.
»Na ja, Camille hat mir dabei geholfen! Ist noch was da von dem perligen Gesöff?«
Charles liebte diese Göre.
»Machst du es nicht auf?«
»Doch, doch«, lächelte er, »aber hm – es riecht etwas merkwürdig, oder?«
»He«, sie zuckte mit den Schultern, »normal, es riecht halt alt.«
Charles klatschte in die Hände. »Okay, Ladys, machen wir’s wie immer? Ich führe euch aus zu Mario?«
»Du willst doch wohl nicht in diesem Aufzug ausgehen?«, Laurence lachte schallend.
Er hörte sie nicht. Bewunderte sich in den Schaufensterscheiben und unter dem begeisterten Blick seiner Stieftochter.
»Ich bin doch perfekt so ...«, hörten die beiden ihn brummen.
Sie hängte sich an seinen Arm und beruhigte ihn: »Der hat echt Stil, finde ich.«
Ganz meine Meinung, antwortete er.
Es war ein Renoma aus den siebziger Jahren. Ein Schickimicki-Regenmantel mit hohem Kragen und Ärmeln, die ihm bis zum Ellbogen gingen. Dem leider der Gürtel fehlte, und mehrere Knöpfe.
An manchen Stellen war er noch dazu eingerissen. Und stank.
Wirklich.
Aber …
Blau.
*
An diesem Abend keine Trennrinne in der festonierten Decke, und das, was als Last-Minute-Geschenk herhalten musste, eingewickelt in ein wunderschönes Nachthemd.
Um der peinlichen Situation ein Ende zu bereiten, rollte Charles sich auf die Seite.
Die Stille, die dieser – Pantomime folgte, war ziemlich belastend. Um sie zu entspannen, scherzte er süßsäuerlich: »Das nenn ich Solidarität. Meine Hormone sind nicht gefügiger als deine, wie es aussieht ...«
Sie reagierte belustigt, zumindest hoffte er es, und schlief schließlich ein.
Er nicht.
Es war seine erste Panne.
Dabei hatte er sich gerade letzte Woche Rat geholt wegen der verfluchten Haare, die ihm büschelweise ausfielen, und hatte zur Antwort bekommen, da sei nichts zu machen: Schuld sei eine Überproduktion an Testosteron.
»Nehmen Sie es als Zeichen Ihrer Männlichkeit«, hatte der Apotheker mit einem wunderbaren Lächeln gefolgert. (Er selbst war vollkommen kahl.)
Ach so?
Ein weiteres Mysterium, das sich seiner wunderschönen Logik entzog.
Ein Mysterium zu viel. Zu demütigend jedenfalls.
Halt, stopp, dachte er. Stopp. Er musste sich befreien von diesen Albernheiten, Calimero feuern und sich zusammenreißen.
Dass er seine Zusagen nicht einhielt, Konferenzen am anderenEnde der Welt schwänzte, das Geld des Architekturbüros rauswarf, Zeit in Klosterruinen vertrödelte, mit Geistern sprach, sie wieder zum Leben erweckte, nur um der morbiden Freude willen, sie um Verzeihung bitten zu können, seine Lungen ruinierte, Material vernichtete und sich den Rücken in den Laken seiner Kindheit ramponierte, damit konnte man noch leben, aber keinen mehr hochzukriegen, das ging nicht!
»Kapiert? Stopp«, sagte er sich noch einmal laut vor, um sicherzugehen, dass er sich gehört hatte.
Und um seinen guten Willen zu demonstrieren, machte er das Licht wieder an. Streckte den Arm aus und zog sich den Erlass vom 22. März 2004 hinsichtlich der Feuerfestigkeit von Baustoffen und Baumaterialien rein.
Richtlinien, Entscheidungen, Gesetze, Dekrete, Erlasse, Hinweise des Komitees, Vorschläge des Leiters der Zivilen Sicherheit, 25 Artikel und 5 Anhänge.
Danach schlief er ein und streichelte seinen Schwanz. Ha. Ein bisschen wenigstens.
Diskreter Rippenstoß eines fliehenden Generals in die Seite seines treuesten Haudegens. Kehren wir heim, mein Lieber, kehren wir heim.
Den Rest erledigen die Raben ...
9
Gesagt, getan: Er warf sie alle raus.
Tristan, Abelard, den kleinen Marcel und all die anderen Jammerlappen.
Merkte nicht, wie der Frühling kam.
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