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Alles Gold Der Erde

Titel: Alles Gold Der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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Freunde durchgemacht hatten.
    Kein Wunder also, daß viele von ihnen kaum noch stehen konnten. Sie legten sich hin und starben. Die Zahl derer, die entmutigt aufgaben und sich erschossen, war erschreckend hoch. Den Männern, die Kendra prahlerisch vorbeikommen sah, war durchaus nicht immer nach Prahlerei zumute: Viele, die hier bramarbasierten, wollten bloß nicht eingestehen, daß sie wünschten, die Heimat nie verlassen zu haben.
    Diese Männer wollten nun in San Francisco bleiben. Jetzt, da die Planwagen eintrafen, wurden auch entsetzliche Geschichten bekannt: von kecken jungen Burschen, die mit ihren Wagen aufgebrochen waren, auf die sie ›Kalifornien oder den Untergang!‹ geschrieben hatten. Sie waren der Ansicht gewesen, ein Revolver und ein bißchen Draufgängertum genügten, um ans Ziel zu gelangen. Sie hatten allen Ernstes geglaubt, ein Yankee könne mit seiner rechten Hand sechs Indianer verdreschen. Von den Einöden und Bergen, die vor ihnen lagen, hatten sie ebensowenig etwas gewußt, waren auch zu dünkelhaft gewesen, sich danach zu erkundigen. Die Leute meinten, jetzt sei es einfach, vom Missouri nach Kalifornien zu ziehen: Man brauche nur längs der Gräber zu fahren.
    Aber Tausende erreichten San Francisco dennoch, und viele von ihnen brachten es zu Geld. Wie die Stadt nun wuchs! Von ihrer Veranda konnte Kendra die neuen Gebäude ausmachen, die gleich Pilzen aus dem Schlamm stiegen. Und immerzu legten Schiffe in der Bucht an. Als die Panama in See gestochen war, hatte sie dreihundertsiebzehn Fahrzeuge zurückgelassen. Aber es kamen ständig neue hinzu. Sie kamen aus aller Welt und schafften immer mehr Menschen und immer mehr Waren heran. Auf den Kais türmten sich die Güter. Der nächste Regen würde sie durchnässen.
    Am Erntedanktag war die Stadt noch immer schlammig, doch schien jetzt wenigstens die Sonne, die Büsche blühten, und die Leute feierten. Geistliche hielten Dankgottesdienste ab. Der Kapitän einer Bark aus Boston gab führenden Geschäftsleuten ein Essen. Der Priester auf der Plaza brüllte seine Zuhörer an, sie sollten endlich bußfertig werden, wozu sie jedoch immer noch nicht bereit waren, der Calico-Palast und seine Konkurrenz waren den ganzen Tag überfüllt.
    Marny sandte einen Barkeeper zum Restaurant. Er brachte ihr Truthahn mit Salbeisoße, frisch und heiß, wie ein Feiertagsessen sein sollte. Marny war zwar nicht von einem solchen Luxus umgeben, wie ihn Loren seiner Frau verschaffte; sie verstand es jedoch ziemlich gut, auf sich selber achtzugeben. Sie schlief in einem eisernen Feldbett, das nicht sehr hübsch war. In San Francisco immer sauber zu sein stellte ein zuweilen hoffnungsloses Unterfangen dar. Ein eisernes Feldbett aber war für Wanzen von geringem Interesse. Anders als die meisten Leute schlief Marny zwischen Laken. Diese Laken waren freilich niemals eingesäumt, und sie wurden auch niemals gewaschen. Sie kaufte Ballen weißen Musselin, riß Streifen in der passenden Länge ab und breitete sie auf ihrem Feldbett aus. Waren sie verbraucht, dann wickelte Marny diese Streifen zusammen und warf sie zum Fenster hinaus, um dann neue vom Ballen abzureißen. Wie die Goldgräber warf sie auch viele ihrer Kleider kurzerhand weg. Das war bequemer und billiger, als jemanden ausfindig zu machen, der sie gewaschen hätte.
    Sie fühlte sich wohl. Sie liebte die rauhe Fröhlichkeit des Calico-Palastes. Sie liebte die Leute, die mit ihr arbeiteten. Die Schwarzbärte und die Mädchen aus Hawaii, Chad und die anderen Barkeeper – sie alle waren ihre Freunde und Freundinnen. Sie liebte auch Rosabel mit ihrer gutmütigen Schlauheit und Norman mit seiner kühlen Tüchtigkeit. Norman besaß nur wenige konventionelle Tugenden: Er war weder freundlich noch großzügig oder selbstlos. Doch war er ein zuverlässiger und tatkräftiger Mann. Bei Norman wußte man stets, woran man war. Marny mochte ihn gern. Und sie liebte all diese schönen Goldmünzen, die sie in ihrem Safe bei Chase & Fenway sammelte. Marny hatte eine hohe Meinung vom Geld. Es gab ihr die Freiheit, nach Belieben handeln zu können, und es erlaubte ihr den geheimen Triumph, sich zu bewähren. Marny zuckte mit den Achseln, wenn sie an ihre Brüder und Schwestern, an ihre Tanten und Kusinen dachte. Trotz deren Geschwätz über den guten Ruf und die anständigen Manieren wußte sie sehr wohl, daß man sie in Philadelphia mit Hochachtung aufnehmen würde (ging sie jemals wieder dorthin), denn eine reiche Sünderin flößte

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