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Als ich vom Himmel fiel

Als ich vom Himmel fiel

Titel: Als ich vom Himmel fiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliane Koepcke
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klingen in meinen Ohren nach Heimat.
    Abends ist es auf den Flüssen Amazoniens besonders schön. Das sonst milchkaffeebraune Wasser erhält einen goldenen Schimmer, der Himmel nimmt eine unwirkliche Färbung an, und die Geräuschkulisse der Ufervögel, Frösche und Insekten verändert ihre Tonlage. Keiner spricht. Der Fluss ist wie ein magisches Band, auf dem wir entlanggleiten, stromabwärts und quer über die stattliche Breite des Pachitea, vorbei an den Hütten von Goldsuchern, an Häusern, vor denen Kinder spielen, und vor allem vorbei an der grünen Wand des Waldes. Ich halte Ausschau nach Zigeunerhühnern, die mir einst das Leben retteten und die meine Mutter so intensiv studierte. Dazu stieg sie an unzähligen Abenden zum Fluss hinunter und beobachtete mit der ihr eigenen Engelsgeduld das Verhalten dieser seltsamen Vögel. Doch heute lassen sich die Zigeunerhühner nirgendwo blicken.
    Wir erreichen die Mündung des Flusses Yuyapichis, unser Bootsmann ändert seinen Kurs und hält auf eine sandige Anlegestelle zu. Oben auf der Anhöhe erkenne ich die alte Módena-Farm, die einst Moros Großeltern bauten.
    Die letzte Etappe, unser Fußmarsch, beginnt.
    Früher mussten wir uns von hier a n – natürlich erst nach einer stärkenden Einkehr bei Doña Josef a – durch dichten Sekundär- und Primärregenwald hindurchkämpfen. Heute ist der Wald zwischen der Módena-Farm und Panguana weitgehend gerodet. Obwohl das unseren Fußmarsch vereinfacht, bedaure ich es natürlich. Immer mehr Grundbesitzer stellten in den vergangenen 3 0 Jahren auf Viehzucht um und rodeten dafür den Wald. Doch mit wenig Erfolg. Denn die so gewonnenen Weiden entsprechen in keiner Weise den Anforderungen einer rentablen Viehwirtschaft. Nach einer kurzen, fruchtbaren Phase, bedingt durch die bei der Brandrodung anfallenden geringfügigen Nährstoffmengen in den Ascheresten des Holzes, veröden die ohnehin nährstoffarmen Böden. Da ihnen das Wurzelgeflecht des Waldes fehlt, können sie sich bei Regen nicht mehr vollsaugen und trocknen aus. Das Wasser fließt viel zu schnell ab, die sowieso kaum vorhandene Humusschicht wird in die Flüsse geschwemmt, und es kommt verstärkt zur Erosion. Das Gras wächst spärlich und ist nicht besonders nahrhaft, sodass der Viehzüchter gezwungen ist, teures Kraftfutter zuzufüttern. Auch die Infrastruktur im Urwald macht es ihm schwer, seine Rinder gut zu verkaufen. Auf den weiten Wegen, oft eingezwängt auf Booten, verlieren die Tiere an Gewicht und kommen meist mager in Pucallpa an, wo sie keinen guten Preis erzielen. Dennoch werden jährlich viele Hektar Regenwald vernichtet, immer noch hält sich mangels Wissen und echten Alternativen die Mär vom möglichen Wohlstand durch die Viehzucht.
    Am Abend dieser langen Reise marschieren wir jetzt also querfeldein über die Weiden der Módena-Farm und sind froh, dass die Sonne nicht mehr so hoch am Himmel steht. Wir durchwaten ein tiefes Schlammloch und den Río Yuyapichis bei einer alten Furt, wo uns das Wasser gerade bis an den oberen Rand der Gummistiefel reicht. Moros Frau Nery und ihre beiden Töchter, die sich uns im Dorf Yuyapichis angeschlossen haben, sind uns schon weit voraus. Nun geht es noch ein paar Kilometer an einem Altwasser des Flusses entlang, an dem seit Kurzem wieder Kaimane leben, was mich ungemein freut. Zu lange waren sie verschwunden, ausgerottet von den Indianern und Farmern, die um ihre Kleintiere fürchteten und auch ihr recht schmackhaftes Fleisch nicht verachteten.
    Und dann, endlich, kann ich den Lupuna-Baum sehen. Stolz ragt er aus der Masse der übrigen Bäume heraus und breitet seinen mächtigen Kronenschirm au s – das Wahrzeichen von Panguana, 5 0 Meter hoch und viele Hundert Jahre alt. Als Nächstes kommt Moros Wohnhaus in Sicht, dann die beiden Gästehäuser. Es sind unscheinbare Holzhütten, mehr nich t – für mich bedeuten sie den Himmel auf Erden. Seit zwei Jahren besitzen wir sogar ein Duschhäuschen, und obwohl es nur kaltes Wasser gibt, ist das für uns ein enormer Luxus, wuschen wir uns doch bis dahin unten im Fluss, wo es viele Kriebelmücken und Gnitzen gibt, deren Stiche sich häufig unangenehm entzünden und schrecklich jucken. In einen großen Behälter auf dem Dach des Häuschens wird regelmäßig Flusswasser gepumpt, die mitgeschwemmte Erde setzt sich unten ab, und aus dem Rohr kommt klares, herrlich erfrischendes Wasser. Trinkwasser müssen wir allerdings aus Pucallpa mitbringen, wie die meisten anderen

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