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Also lieb ich ihn - Roman

Also lieb ich ihn - Roman

Titel: Also lieb ich ihn - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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hervorsprudeln, schnell und atemlos – fährt fort: »Aber diese Erklärung ist stinklangweilig. So klinisch. Manchmal stell ich mir vor, wie mein Leben in – sagen wir – zehn Jahren sein wird, und ich bin dann vielleicht verheiratet und hab Kinder und ein Haus, und abends kochen mein Mann und ich gemeinsam, und dann schnippel ich Gemüse oder mache sonst was und hab dabei ein Déjà-vu. Denk irgendwie, Moment mal, das kennst du doch? Wär das nicht seltsam? Dann hätte ich ja immer gewusst, dass die Dinge so kommen würden, wie ich es mir wünsche. Dann hätte ich immer gewusst, dass ich glücklich werden würde.« Hannahs Herz schlägt heftig. »Das klingt bestimmt total sonderbar«, sagt sie.
    »Nein.« Jenny wirkt ernst, beinah traurig. »Es klingt überhaupt nicht sonderbar.«
    Sie fahren auf den Parkplatz. Im Fenster werden Zwei-Liter-Flaschen |76| Soda zum Sonderpreis beworben, und Hannah kann hinter dem Tresen zwei Frauen in roten Kitteln erkennen. Die Raststätte scheint bis in den letzten Winkel vor Elektrizität zu knistern.
    »Es waren gar nicht so viele Typen, mit denen ich rumgemacht habe«, sagt Hannah.
    Jenny lacht leise. »Sei froh.«

|77| 3
April 1997
    Nach ihrem Termin bei Dr. Lewin fährt Hannah mit dem Zug zum Campus zurück und macht sich ein paar Notizen zum Gesprächsverlauf.
Jared vermutlich geschmeichelt
, schreibt sie.
Warum hirnrissige Geste? Warum nicht mitfühlend?
Sie verwendet das Notizbuch mit den Abbildungen zur islamischen Kunst; im Wohnheim reißt sie die Seite heraus und schiebt die Notizen in einen Pappordner, den sie in der obersten Schreibtischschublade verwahrt. Wenn nur genug Seiten zusammenkommen, kann Hannah hoffentlich das Geheimnis des Glücks ergründen. Wie lange sie dafür brauchen wird, ist ungewiss. Seit einem Jahr, seit ihrem Frühjahrssemester als Freshman, sucht sie jeden Freitagnachmittag Dr. Lewin auf. Dr. Lewin berechnet ihr pro Stunde 90 Dollar, augenscheinlich eine horrende Summe, die sich allerdings auf einer gleitenden Skala bewegt. Um das Geld ohne Unterstützung ihrer Mutter oder ihres Vaters aufzutreiben – das heißt, ohne ihren Eltern zu verraten, dass sie eine Psychiaterin konsultiert –, hat sich Hannah einen Job in der Fachbibliothek für Veterinärmedizin besorgt, wo sie Bücher in die Regale einräumt. »Welche Reaktion befürchtest du denn?«, hatte Dr. Lewin einmal gefragt, und sie hatte geantwortet: »Ich möchte einfach nicht mit ihnen darüber reden. Das würde nichts bringen.«
    Dr. Lewin ist Ende Dreißig, schlank und sportlich; Hannah vermutet, dass sie joggt. Die dunklen Locken trägt sie kurz, sie hat helle Haut und ausdrucksvolle blaue Augen. Sie trägt bevorzugt weiße oder gestreifte Button-down-Hemden zu schwarzen Hosen. Die Gespräche finden im |78| ausgebauten Kellergeschoss ihres großen, mit grauem Stuck verzierten Hauses in Brookline statt. Die Diplome, die in ihrem Sprechzimmer an der Wand hängen, bescheinigen, dass sie das Wellesley College besucht und summa cum laude abgeschlossen hat, um anschließend Medizin an der Johns Hopkins University zu studieren. Hannah vermutet, dass Dr. Lewin jüdisch ist, obwohl
Lewin
in ihren Ohren gar nicht wie ein jüdischer Name klingt. Dr. Lewin hat zwei Söhne im Grundschulalter, die ihrem Aussehen nach adoptiert wurden, vielleicht stammen sie aus Mittel- oder Südamerika – das gerahmte Foto auf ihrem Schreibtisch zeigt Kinder mit karamellbrauner Haut. Über Dr. Lewins Ehemann weiß Hannah nichts. Manchmal stellt sie sich vor, er sei ebenfalls Psychiater, ein Mann, den sie an der Uni kennengelernt hat und der ihre Intelligenz und Ernsthaftigkeit zu schätzen wusste, doch hin und wieder (Hannah gefällt diese Version besser) malt sie sich einen attraktiven Schreiner aus, einen heißblütigen Kerl mit Werkzeugtasche, der Dr. Lewins Intelligenz und Ernsthaftigkeit auf andere Weise bewundert.
    Das Thema ihrer heutigen Sitzung war Hannahs Beweggrund, Jared, einem Kommilitonen aus dem Soziologie-Seminar, eine Flasche Hustensaft zu geben. Das Seminar ist klein – nur zwölf Studenten – und der Dozent ein verschlossener bärtiger Jeansträger. Die Studenten hocken alle um einen großen Tisch, meist sitzen Hannah und Jared nebeneinander, ohne ein Wort miteinander zu wechseln, obwohl zuweilen eine positive Energie zwischen beiden zu fließen scheint; Hannah hat das Gefühl, dass ihm dieselben Dinge auffallen wie ihr, dass ihn dieselben Studenten amüsieren oder nerven. Jared hat einen

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