Alta moda
spricht nicht viel. Mir wäre es ganz recht, ihn einmal ohne seinen Detektiv zu erwischen, und ich denke, ich schaffe es schon, ihn und die Tochter ein paar Minuten getrennt zu sprechen.«
»Schön, wenn Sie meinen, es bringt was.«
»Den Versuch ist es allemal wert. Schlimm genug, daß ich bei dem Sohn verspielt habe. Also ich gehe mal hin, dann sehen wir ja, was dabei herauskommt…«
Zu Fuß, wie gewöhnlich, machte er sich um drei Viertel vier auf den Weg. Als er aus dem steinernen Torbogen trat, langte er gewohnheitsmäßig nach seiner dunklen Brille. Aber die Sonne kam heute nur sporadisch hinter dem lockeren Gewölk zum Vorschein, das weiß und grau und schwarz am windstillen Firmament dahinsegelte.
»Sieht sehr nach Regen aus, Maresciallo.« Biondini, der Kurator der Gemäldegalerie, hatte sich bereits vorsorglich mit Schirm und Regenmantel gegen den erwarteten Wolkenbruch gewappnet. »Sie haben es sicher schon gehört, nicht wahr?«
»Wie bitte?«
»Dem Louvre wurde ein Corot gestohlen! Da ängstige ich mich Tag und Nacht wegen unserer unzulänglichen Sicherheitssysteme, aber wie man sieht, haben auch andere Museen ihre Schwachstellen. Außerdem – wo wir Sie direkt vor der Haustür haben und obendrein noch die Sondereinheit zum Schutz des künstlerischen Erbes am anderen Ende der Boboli-Gärten –, also, da dürfte ich mich weiß Gott nicht beklagen. Aber Sie schauen ja so verdutzt, Maresciallo – haben Sie denn die Mittagsnachrichten nicht gesehen?«
»Doch, doch, aber ich war, ehrlich gesagt, nicht ganz bei der Sache. Wo, sagten Sie? Im Louvre?«
»Ja, genau. In der neuen Sammlung. Eine zauberhafte Corot-Landschaft.«
»Ein Gemäldediebstahl… Gut. Etwas in dieser Art, nur ein bißchen mehr in unserer Nähe, das wäre… sehr gut wäre das…«
»Maresciallo?«
»Guten Tag, Signor Biondini. Und besten Dank auch. Das war sehr freundlich von Ihnen…«
Biondini war überhaupt sehr freundlich, aber wenn er erst einmal loslegte, würde er dem Maresciallo mehr über das gestohlene Bild erzählen, als der sich hätte merken können. Und mehr, als daß es gestohlen war, wollte Guarnaccia gar nicht wissen. Sehr freundlich von ihm, der Hinweis. Obwohl man etwas ein bißchen mehr in der Nähe gebraucht hätte. Aber eins nach dem anderen. Und zuerst zur Piazza Santo Spirito.
Er erschrak fast, als er das majestätische Portal mit den schmiedeeisernen Beschlägen fest verschlossen fand. Zwar war eine Pförtnerglocke vorhanden, aber der Maresciallo wußte, daß die Pförtnerloge leer stand. Ratlos zog er schließlich trotzdem die Glocke.
»Ja?«
»Maresciallo Guarnaccia, Carabinieri.«
Er hörte den Mechanismus klicken und stemmte sich gegen die mächtigen Bohlen. Kein Wunder, daß das Portal bisher dauernd offengestanden hatte. Die Torflügel waren tonnenschwer, und da sich auch das Atelier im Palazzo befand, herrschte hier tagsüber gewiß ein reges Kommen und Gehen.
»Zu wem wollen Sie?« Man hielt sich jetzt also tatsächlich einen Pförtner, noch dazu einen in Livree.
»Ah… zu Signorina Brunamonti. Sie erwartet mich.«
Eine kleine Lüge, aber falls dieser Mensch von Leonardo oder Signor Hines angestellt war, wollte er nicht riskieren, daß er oben anrief und ihn meldete. »Ich komme jeden Tag um diese Zeit vorbei. Sie brauchen mich also nicht anzumelden, ich kenne den Weg.«
»Wie Sie wollen, Maresciallo.« Gott sei Dank verkroch er sich wieder hinter seiner Zeitung. Der Maresciallo nahm den Aufzug.
Als er im zweiten Stock ausstieg, wurde gegenüber die Wohnungstür aufgerissen, und Patrick Hines kam herausgestürzt. Beim Anblick des Maresciallo blieb er wie angewurzelt stehen – sprachlos, kreidebleich, mit schrekkensstarrer Miene. Die Tür fiel krachend hinter ihm ins Schloß.
»O Gott!« Damit rannte er, wie von Furien gehetzt, die Treppe hinunter.
Der Maresciallo sah ihm lange nach, dann ging er auf die Tür zu. Hines lief ihm nicht davon. Wenn bei den Brunamontis niemand öffnete, würde er Verstärkung rufen und die Tür aufbrechen. Er drückte auf die Klingel und wartete. Schritte waren drinnen nicht zu hören, aber ein fast lautloses Rascheln ließ ihn ausharren.
Die Tür öffnete sich langsam einen Spaltbreit, und noch ehe er etwas erkennen konnte, sagte eine eiskalte, schleppende Stimme: »Ich wußte, du würdest es dir anders überlegen.«
Und dann sah er sie, barfuß, den langbeinigen, schlanken Leib nackt unter dem duftig weißen, durchsichtigen Negligé.
Als sie ihn
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