Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde

Titel: Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
Vom Netzwerk:
andere Wahl gab es dann noch?
    Als sie schließlich sprach, klang ihre Stimme ruhig, doch selbst sie konnte die Furcht darin hören. Sie sagte ihm ganz offen, daß sie gerne glauben wollte, er könne Shara retten, aber nicht daran glauben könnte. Lebten nicht bereits Frauen in den Zelten der Hansi, die Shambah sprachen? Wußte sein Volk denn nicht schon, daß es reiche Städte im Westen gab?
    Marrah erkannte, daß Stavan um ihretwillen und um des Wohls ihres Volkes willen ein großes Risiko auf sich zu nehmen bereit war, und sie ehrte ihn für seine Treue und seinen Mut, aber was nützte sein Plan, wenn irgendeine kleine Tatsache, kleiner als sein Daumennagel, das ganze Gebäude zum Einsturz bringen konnte? So viele Dinge konnten schiefgehen.
    Vielleicht hatte irgendeine arme gefangene Frau, die sich vor Heimweh verzehrte, bereits von den reichen Tempeln ihrer Heimatstadt erzählt, oder vielleicht hatte irgendein junges Mädchen, das sich schmerzlich nach seiner Mutter sehnte, in seinem Kummer geschrien, daß im Westen die Schafe fetter und der Honig süßer wären.
    »Nein«, erwiderte Stavan immer wieder beharrlich. »Nein, du machst dir unnötig Sorgen.« Er setzte sich und zog Marrah zärtlich in seine Arme. Sein Körper war warm wie ein Schutzschild gegen die kalte Möglichkeit des Scheiterns.
    Langsam und mit großer Überzeugung erklärte 'er ihr, warum ihre Ängste sinnlos waren. Alle gefangenen Frauen wären aus kleinen Dörfern gekommen, und wenn sie von großen Städten im Westen erzählten, würde ihnen ohnehin niemand glauben, weil die Hansi-Krieger grundsätzlich nicht auf Frauen hörten, wie er bedauerlicherweise zugeben mußte.
    Kein Krieger hätte jemals eine richtige Stadt gesehen oder sich auch nur eine vorgestellt, und nur Krieger hätten die Macht, Dinge geschehen zu lassen. Deshalb würde ihm sein Vater sicherlich glauben. Und außerdem besäße er – obwohl es ihm immer widerstrebt hätte, die Wahrheit zu beugen – ein Talent zum Geschichtenerzählen. Als er ein kleiner Junge gewesen war, hatten die Leute gesagt, er sei dazu geboren, von Lager zu Lager zu ziehen und von den Göttern und Helden zu singen, aber dann war er älter geworden, und seine Stimme hatte sich von einer süßen Glocke zum Froschgequake verändert. Dennoch, die Gabe besäße er noch immer. Marrah müsse begreifen, daß dies ihre beste Chance wäre, vielleicht ihre einzige Chance, und es sei eine gute; er könne es ihr versprechen. Wenn er nicht ins Grasmeer zurückkehrte, würden die Hansi eines Tages gen Westen reiten. Hätte nicht ihre eigene Göttin vor einem Angriff gewarnt?
    Marrah zog zwei Visionen der Zukunft in Erwägung: In der einen ritten die Hansi-Krieger nach Shara und brannten es bis auf die Grundmauern nieder; in der anderen wurde Shara verschont. Und nicht nur Shara wäre gerettet, auch die Städte entlang dem Ufer des Rauchflusses, das Dorf Kaza, die Tempel von Takash, all die Schönheit und der Frieden dieser Welt würden weiterbestehen –zumindest für eine Weile. Stavans Plan ergab tatsächlich einen Sinn, und er konnte möglicherweise klappen, aber etwas daran störte sie immer noch, etwas, was weit über den Schmerz, so viele Monate lang von ihm getrennt zu sein, hinausging.
    »Wie gefährlich ist dein Vorhaben ?« fragte sie schließlich.
    »Was meinst du?« Er verlagerte unbehaglich sein Gewicht, und sie wußte, sie hatte einen der Punkte berührt, von denen er gehofft hatte, sie würde sie übersehen.
    »Was, wenn dein Vater und die anderen Krieger dir nicht glauben?«
    »Oh, sie werden mir schon glauben.«
    »Und wenn sie es nicht tun ?«
    »Dann werden sie mich wahrscheinlich einen Verräter nennen.« »Was ist ein Verräter ?«
    Es dauerte eine Weile, bis Stavan antwortete. »Jemand, der sein Volk verrät.«
    »Und was tun deine Leute, wenn sie herausfinden, daß jemand sie verraten hat?«
    »Mach dir nicht so viele Sorgen. Es hat keinen Sinn, sich ständig alle möglichen Schwierigkeiten auszumalen. Kein Hansi-Krieger würde seinen Vater belügen, es sei denn, er hätte vor, ihn zu töten, und jeder weiß, daß ich kein Großer Häuptling sein will. Vlahan, der Bastard meines Vaters, ist allerdings anders. Wenn Vlahan meinem Vater erzählte, der Himmel sei blau, würde mein Vater erst aus seinem Zelt treten, um zu sehen, ob er die Wahrheit spricht, aber ich hatte immer den Ruf, übermäßig aufrichtig zu sein.«
    Sie holte tief Luft. »Stavan ...«, begann sie und brach dann ab, bemühte

Weitere Kostenlose Bücher