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Am Ende eines Sommers - Roman

Am Ende eines Sommers - Roman

Titel: Am Ende eines Sommers - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Ashdown
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geschleppt haben. Er hat gesagt, er will sich kurz hinsetzen, und dann kommt er heraus und hilft mit. Wir werden sehen. Matthew und sein Kumpel streifen um den Tisch herum und stibitzen die besten Kuchen und Kekse. Setz dich, befehle ich ihm mit einer Handbewegung. Er lächelt mit vollen Backen und schiebt noch ein Stück Schokoladenrolle hinterher, bevor er sich Jake und Andy gegenüber auf einen Stuhl zwängt.
    Sandy ruft quer über den Tisch. Sie hat vom anderen Ende her Limonade verteilt. »Wir brauchen Nachschub, Schatz. Kannst du was aus deinem Haus holen? Es ist das nächste.«
    Ich sammle die leeren Sirupflaschen und Krüge ein und trabe nach Hause. Dieses Ende der Straße liegt verlassen da. Die Stille ist beunruhigend. Ich drücke die Haustür auf, und sie schiebt den Stapel der Nachmittagspost auf der Fußmatte nach hinten. Ich stelle Krüge und Flaschen in der Küche ab und hebe die Briefe auf. Zwei sind für Billy, der dritte sieht aus wie ein kleines, von Hand adressiertes Päckchen, so groß wie ein Taschenbuch. Es ist in Brighton abgestempelt, und Mutters Handschrift ist unverwechselbar. Das Blut weicht mir aus dem Gesicht. Mit zitternden Händen ziehe ich den Inhalt aus dem Umschlag.
    Ungeöffnete Geburtstagskarten und Briefe aus zehn Jahren fallen auf den Küchentisch. Kein Begleitschreiben, keine Erklärung. Der Schock überflutet mich eiskalt. Mechanisch fülle ich die Limonadenkrüge, und mein Herzschlag wird zu einem leisen Rumoren. Ich lehne mich an die Spüle und stöhne vor Schmerz. Sie hat sämtliche Türen zugeschlagen. Ich weiß jetzt, dass dies nicht eine ihrer Phasen ist, die irgendwann zu Ende sein werden. Die vier Krüge stehen Seite an Seite in meiner trostlosen Küche und starren mich an wie Wachtposten.
    Noch immer zitternd gehe ich ins Wohnzimmer und wähle Rachels Nummer aus dem Gedächtnis, zum ersten Mal seit sieben Jahren. Sie meldet sich beim dritten Klingeln.
    »Rachel?« Ich bin den Tränen nahe.
    Einen Moment lang ist es still. Dann sagt sie: »Sorry, Sie haben sich verwählt« und legt auf.
    Ich stürze zum Spülbecken und übergebe mich. Mein Magen krampft sich zusammen, und er ist hohl.
    »Warum hast du mich verlassen, Rachel?«, weine ich und sinke auf den Boden. »Warum hast du mich verlassen?« Mein Schluchzen kommt in machtvollen, schwerfälligen Wellen und schüttelt mich. Niemand kann mich hören, und ich heule und hämmere vor Trauer mit den Fäusten auf das schmuddelige Linoleum.
    Als Sandy kommt, habe ich mehrere Gläser Whisky getrunken, um meine Nerven zu beruhigen. Ich schlafe schon halb, als sie an die Tür hämmert, und ich öffne ihr, ohne aufzublicken.
    »Mary, Schätzchen, was ist passiert? Vor einer Stunde bis du losgegangen, um Limonade zu holen. Die Kinder kommen um vor Durst da draußen!«
    Ich gehe vorsichtig in die Küche, damit sie nicht sieht, dass ich wacklig auf den Beinen bin, und lasse den Wasserhahn laufen, um die Kotze aus dem Becken zu spülen.
    »Zehn Jahre«, sage ich und schiebe ihr das Bündel Briefe hin. Dann schließe ich die Tür des Getränkeschranks über dem Herd. Klick-klack.
    »Du lallst, Schatz«, stellt Sandy fest, und ihr Blick bleibt an der leeren Whiskyflasche hängen. Sie dreht die Briefe in den Händen und versucht stirnrunzelnd, sich einen Reim darauf zu machen.
    »Ein Fehler, und sie schmeißen mich für alle Zeit aus ihrem Leben. Ein Fehler!«
    Sandy schüttelt den Kopf und nimmt mich in die Arme. Sie wiegt mich wie ein Kind. »Sschh, sschh, sschh, sschh.« Sie küsst meinen Scheitel und streicht mir das Haar aus dem Gesicht.
    Ich atme ihr billiges Parfum ein und lehne mich schwer an sie. Ich bin so müde. Wenn ich nur schlafen könnte, wäre alles besser.
    »Du musst dir jetzt deine eigene Familie bauen, Mary, Schatz. Und du hast Freunde. Mich. Pete. Wir sind deine Familie.«
    Ich schluchze an ihrer Schulter. »Aber das ist nicht dasselbe, Sandy. Es ist nicht dasselbe.«
    Es ist nicht dasselbe.

 
    Jake,
    Mai 1985
    An meinem Geburtstag wache ich um kurz nach sechs auf. Die Vögel hinter dem Haus machen Krach, und ich öffne den Vorhang gerade so weit, dass ich rausgucken kann, ohne sie zu verscheuchen. Für mich sehen sie aus wie Mehlschwalben. Eine landet auf dem Draht des nächsten Telegrafenmasten. Sie dreht den Kopf hin und her, zwitschert ein bisschen und schwirrt dann blitzschnell zurück zum Haus, wo sie neben meinem Fenster verschwindet. Unter dem Dach muss ein Nest sein. Die Sonne scheint jetzt zwischen den

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