Am Ende eines Sommers - Roman
marschiert vorneweg. Er kritzelt auf den Zettel, wo er die Lehrer auf der Liste findet. Mr Thomas: Reihe 3, Tisch 2. Miss Terry: Reihe 5, oben.
Mum wird allmählich unruhig. Dauernd schaut sie auf die Uhr, damit wir nicht zu spät zu unserem ersten Termin kommen.
»Ich glaube, wir sollten jetzt zu Mr Thomas gehen«, sagt sie. »Es ist fünf vor fünf.«
Dad nickt, konsultiert seinen Zettel und geht voran. Anscheinend funktioniert sein System.
Als wir zu Mr Thomas kommen, warten dort bereits drei Familien. Die Frau vor uns muss Edward Hamptons Mum sein, denn er steht neben ihr und guckt echt verbiestert. Er nickt mir zu, und ich nicke zurück.
»Wieso die Verzögerung?«, fragt Dad sie.
»Ach, bei diesen Veranstaltungen lassen sie einen immer warten«, antwortet Mrs Hampton. »Wir können von Glück sagen, wenn wir vor Mitternacht hier rauskommen.« Sie schaut Dad mit einem funkelnden Lächeln an, dann sieht sie, wie Mum nickt, und wendet sich verwirrt ab.
Edward hat die Hände tief in den Taschen vergraben und lässt die Schultern hängen. Er hat meistens irgendwelche Probleme und freut sich wahrscheinlich nicht auf dieses Gespräch.
»Ich muss aufs Klo«, sagt Mum plötzlich. Ihr Gesicht glänzt ein bisschen, und sie sieht richtig aufgeregt aus. »Wo ist das, Jake?«
Ich schaue mich in der Halle um und sehe die handgemalten »Ladys«- und »Gents«-Schilder, die zu den Umkleideräumen zeigen.
»Da drüben, Mum. Das ist die Mädchenumkleide. Soll ich mitkommen und auf dich warten?«
Sie schüttelt den Kopf und verschwindet zwischen den Leuten, die Handtasche fest umklammernd.
Als wir zu Mr Thomas kommen, haben wir eine Viertelstunde in der Warteschlange gestanden. Dad hat die Stirn gerunzelt, und Mum träumt, als er uns endlich aufruft.
»Also«, sagt er und winkt uns, Platz zu nehmen. »Also, Jake.« Er blättert in seinen Papieren, schaut uns dann über seine Lesebrille hinweg an und beäugt erst mich, dann Mum, dann Dad. »Netter Junge. Still. Macht uns niemals Schwierigkeiten. Scheint sich mit den anderen Schülern gut zu verstehen, gehört offenbar zu keiner speziellen Clique. Was nicht schlecht ist. Aber seine Leistungen sind allgemein nicht bemerkenswert.«
Mum und Dad sehen einander ein bisschen verwirrt an. »Weiter«, sagt Dad.
»Nun«, sagt Mr Thomas und nimmt die Brille ab. Seine Augen sehen alt aus. Die Lider sind ganz knittrig. »Ich kann sehen, dass er ein intelligenter Junge ist. Und sehr sprachgewandt, wenn man ein Zweiergespräch mit ihm führt. Aber er ist ein Träumer und versunken in seiner eigenen Welt. Das schlägt sich leider in seinen Zensuren nieder. Überwiegend C, hier und da auch ein D.«
Ich kriege einen trockenen Hals, als mir klar wird, wie der Abend laufen wird.
»Aber in zwei Fächern zeigt er gute Leistungen: Klassisches Altertum und Kunst. Miss Terry hat einen Bericht geschrieben, der Jakes Mitarbeit in ihrem Unterricht in leuchtenden Farben beschreibt; anscheinend ist er ihr bester Schüler.« Er lächelt mich an, und ich werde glühend rot. »Und Kunst. Ja, sehr gut.«
»Was ist mit Musik?«, fragt Dad. »Er ist ganz versessen auf Musik.«
»Ein D«, sagt Mr Thomas.
»Werken?«
»Ein C.«
Wir sind fertig bei Mr Thomas und stehen auf.
»Aber ein netter Junge«, sagt er und schüttelt meinem Dad die Hand.
Wir gehen weg, und ich warte darauf, dass jemand etwas sagt. Aber am Ende bin ich es selber, der das Schweigen bricht.
»Können wir was trinken gehen? Die Ambulanz verkauft vorn in der Halle Getränke. Und Kekse.«
Dad nickt, und wir gehen hin und kaufen Kaffee für sie und Limo und einen Mürbekeks für mich.
»So, jetzt kommt Mathe«, sagt Dad, nachdem wir in einem Kokon aus Stille getrunken haben, und wir gehen zum anderen Ende der Turnhalle, meiner nächsten Demütigung entgegen.
Nach ungefähr einer Stunde erreichen wir Miss Terrys Tisch. »Klassisches Altertum und Englisch«, steht auf ihrem Schild, aber ich habe bei ihr nur die Antike. Sie springt auf und lädt uns ein, Platz zu nehmen. Ihre Wangen sind rosig wie immer, wenn sie im Unterricht von etwas richtig Aufregendem erzählt, zum Beispiel der Tötung des Minotaurus oder den furchtbaren Gorgonen.
»Mr und Mrs Andrews, wie schön, Sie endlich kennenzulernen. Hallo, Jake.« Sie wirkt viel erwachsener als sonst. Ihre Finger spielen mit dem Bleistift auf dem Tisch. »Was kann ich Ihnen über Jake erzählen? Nun, er ist mein Primus – ein glattes A, das ganze Jahr hindurch. Offenbar liebt er
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