Am Ende eines Sommers - Roman
»Er ist ein guter Kerl, stimmt’s, Jake?«
Ich nicke und verstecke mein Gesicht hinter der riesigen Schokoladencremeschnitte, die Mum mir mitgebracht hat.
»Sein Geschmack bei Frauen gefällt mir allerdings weniger.« Dad lacht. Er wischt Zucker vom Tisch in die flache Hand und klopft ihn dann von den Händen auf den Boden. Das habe ich ihn schon tausend Mal tun sehen; ich weiß nicht, weshalb er das Zeug nicht gleich auf den Boden fegt.
Mum rührt länger als nötig in ihrem Tee und blickt kein einziges Mal auf.
»Aber egal – offenbar ist Gypsy verschwunden. Also, die wären wir los«, sagt Dad. »Der arme Stu. Ich glaube, er vermisst das Familienleben.« Er greift über den Tisch nach Mums Hand. »Manchmal muss ich mich daran erinnern, wie viel Glück ich habe.«
Als wir meine Midi-Anlage kaufen, machen wir ein echtes Schnäppchen. Sie hat einen Plattenspieler, einen eingebauten Verstärker, Radio und ein Doppel-Kassettendeck, sodass ich von Kassette zu Kassette aufnehmen kann. Wir latschen durch sämtliche Elektrogeschäfte, bis wir die richtige gefunden haben, und Dad feilscht am Ende so entschlossen, dass ich einen Preisnachlass kriege und außerdem auch noch zwei LP s gratis. Ich suche mir Misplaced Childhood von Marillion aus und dazu das Weiße Album von den Beatles, weil Dad sagt, das ist ein Klassiker, der in jede gute Plattensammlung gehört.
Danach frage ich Mum, ob wir zu Millets gehen können, weil ich noch etwas Geld übrig habe.
»Wenn du dir Garderobe kaufen willst, dann sollten wir zu Marks & Spencer oder zu British Home Stores gehen, Jakey. Millets ist ein Campinggeschäft. Die werden da nicht viel haben.« Mum war offensichtlich seit Jahren nicht mehr bei Millets.
»Die haben nicht nur Kleidung«, sage ich. »Die haben auch Schuhe – Converse, Doc Martens. Und Monkey Boots, weißt du, solche, wie George sie hat. Die sind echt cool, und ich könnte sie auch zur Schule tragen, weil es schwarze Schnürstiefel sind. Dann brauchtest du mir nicht noch ein Paar für die Schule zu kaufen. Und meine Schulschuhe werden inzwischen ein bisschen eng.«
»Na, wir schauen mal«, sagt Mum, und wir gehen zum anderen Ende der High Street zu Millets.
Als wir dort sind, finden Mum und Dad auch, dass die Monkey Boots eine gute Idee sind. Außerdem entdecke ich eine armeegrüne Segeltuchtasche für die Schule, genau wie die, die bei George an der Tür hing. Jetzt fehlen nur ein paar Buttons und ein, zwei Graffiti, und sie sieht genau richtig aus.
Mit einem Armvoll Tüten, einem Riesenkarton und noch einem Zehner in meinem Portemonnaie gehen wir nach Hause. Ich denke an all die neuen Platten, die ich mir mit dem Geld, das ich im Laden verdiene, kaufen kann, und an den Brief, den ich George diese Woche schreibe. Wir haben ausgemacht, dass wir alle neuen Platten auf Kassetten aufnehmen und uns gegenseitig schicken. So hat jeder doppelt so viel Musik.
Mum geht noch rasch in den Spar-Supermarkt und kauft Hackfleisch und Möhren für eine Shepherd’s Pie zum Abendessen.
»Ich glaube, wir haben noch Zwiebeln und reichlich Kartoffeln zu Hause«, sagt sie, als sie wieder herauskommt. »Und seht mal, was ich hier habe.« Sie hält eine Biskuitrolle hoch. »Die gibt’s zum Nachtisch mit Vanillesauce.«
»Der Tag wird einfach immer besser.« Grinsend sehe ich sie und Dad an. »Mein allerliebstes Abendessen, und eine neue Midi-Anlage! Hab ich eigentlich schon gesagt, dass ich eine Midi-Anlage habe? Hab ich das schon gesagt? Ja? Ja?«
Mum lacht und schlenkert mir ihre Einkaufstüte in die Kniekehlen.
Dad klopft mir auf den Rücken. »Du hast sie dir verdient, Sohnemann. Für dieses Geld hast du schwer gearbeitet. Du hast ein verdammt gutes Arbeitsethos, und mehr brauchst du nicht, um im Leben zurechtzukommen, Jakey. Bravo.«
Ich nicke und sehe zu ihm auf, und meine Brust schwillt vor Stolz. Ich kann es nicht erwarten, Mr Horrocks zu erzählen, dass ich die Midi-Anlage, für die ich gespart habe, jetzt besitze. Er hat heute Griffin; also kann ich nachher noch bei ihm vorbeigehen und es ihm erzählen, wenn ich den Hund abhole.
Kurz bevor wir zu Hause sind, sagt Dad, er will noch auf ein Pint ins Royal Oak.
»Aber ich dachte, du hilfst mir, die Anlage aufzubauen, Dad?«
»Ach, komm, Jakey, ich hab dir geholfen, sie auszusuchen, oder? Und ich hab dir einen guten Preis ausgehandelt. Ich will nur ein oder zwei Bier trinken. Fang du schon mal an, und nachher komme ich und helfe dir.« Er verschwindet im Pub, ohne
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