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Am Ende eines Sommers - Roman

Am Ende eines Sommers - Roman

Titel: Am Ende eines Sommers - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Ashdown
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sich noch einmal umzusehen. Mum schaut ihm nach. Sie sieht müde aus.
    »Komm, Schatz«, sagt sie. »Wenn ich eine Tasse Tee getrunken und die Einkäufe ausgepackt habe, helfe ich dir. Es gibt doch bestimmt eine leicht verständliche Betriebsanleitung.«
    »Ich weiß«, sage ich. »Ich dachte nur, Dad wollte mir helfen, sie aufzubauen.«
    Mummy sieht mich mit dem verständnisvollen Blick an, den ich schon eine Million Mal gesehen habe, und wir gehen die Straße hinauf nach Hause.
    »Das wird er auch, Jakey. Lass ihn sein Bier trinken, und dann kommt er und hilft dir. Wollen wir doch mal sehen, wie weit du ohne ihn kommst. Zeig’s ihm! Also. Freust du dich über deine Affenschuhe?«
    »Monkey Boots, Mum! Die heißen Monkey Boots!«
    »Ich weiß.« Sie lacht. »Ich will dich doch nur ärgern, du großer haariger Schimpanse!«
    Ich schubse mit dem Kopf die Schulter, aber vorsichtig, damit der Karton in meinen Armen nicht verrutscht, und dabei ziehe ich eine Grimasse und schiele sie an. Sie stellt die Tüten ab und holt den Schlüssel aus der Tasche.
    »Lauf schon nach oben und fang an. Ich komme gleich und helfe dir, Jakey. Auch einen Tee?«
    Ich nicke und gehe mit meiner neuen Anlage die Treppe hinauf.

 
    Mary,
    November 1980
    Ich erwache von dem Tapsen kleiner Füße auf der Treppe. Die Neun-Uhr-Nachrichten sind gleich zu Ende, und im Kamin schwelt noch Glut. Ein Kind erscheint in der Wohnzimmertür. Es ist Jake in seinem Bademantel. Er reibt sich das Gesicht.
    »Wie spät ist es?«, fragt er und dreht sich zum Fernseher um.
    »Muss gleich halb zehn sein«, sage ich und breite die Arme aus, damit er zu mir kommt.
    In seinem Halbschlaf vergisst er, dass er neun ist. Er tappt heran und klettert in meine Arme.
    »Mir ist kalt. Und ich hab Hunger«, sagt er und greift über die Armlehne nach dem Teller mit Käse und Crackern, von dem ich gegessen habe, bevor ich eingedöst bin. Er bleibt mit dem Pyjamaärmel an meinem Glas hängen, und der Rotwein spritzt gegen die Wand.
    »Ach, Jake!«, schimpfe ich, schiebe ihn von meinem Schoß und knipse in derselben Bewegung das Licht an. »Wieso bist du nur immer so ungeschickt? Dauernd wirfst du was um. Jetzt hol schon einen Lappen!«
    Er saust in die Küche und kommt mit einem weißen Geschirrtuch zurück.
    Ich schnalze mit der Zunge. »Nein, nicht so eins. Das ist Rotwein, Herrgott. Ach – ich mach’s schon selbst!«
    Als ich das Malheur weggewischt habe, schaue ich zum Sofa. Jake sitzt da, die Knie bis ans Kinn gezogen, und macht ein reumütiges Gesicht. Mir ist schrecklich zumute, aber ich kann nichts sagen, um es ungeschehen zu machen. Ich entkorke die Weinflasche und gieße den Rest in mein leeres Glas.
    »Ist ja nichts passiert.« Ich setze mich wieder in meinen Sessel und klopfe mir mit der flachen Hand auf das Knie, damit er wieder auf meinen Schoß kommt. Aber er tut, als sähe er es nicht. Nach kurzem Schweigen trinke ich mein Glas aus und klatsche in die Hände. »Okay! Schlafenszeit ist längst vorbei, mein Schatz. Ab ins Bett.«
    Jake rührt sich nicht.
    »Na los, Jakey«, sage ich.
    »Wo ist Dad?«, fragt er.
    »Ausgegangen.«
    »Wohin?«
    »Ins Royal Oak.« Ich stochere mit der Grillgabel in der erlöschenden Glut.
    »Aber er war schon weg, lange bevor wir ins Bett gegangen sind.« Jake lässt die Unterlippe hängen.
    »Ich weiß. Wahrscheinlich hat er einen Freund getroffen.«
    Ich stelle mein Glas in die Küche und schiebe die Flasche im Abfalleimer ganz nach unten. Ich bin ein bisschen benebelt, weil ich gedöst habe.
    »Er sollte inzwischen wieder da sein«, mault Jake und steigt wieder die Treppe hinauf Richtung Bett.
    »Nacht«, rufe ich ihm nach.
    »Nacht«, ruft er zurück.
    Ich sitze da und sehe die Flammen an dem neuen Holzklotz heraufzüngeln, den ich in die Asche gelegt habe. Ich schalte das große Licht aus und gehe zum Küchenschrank, um mir noch etwas zu trinken zu holen. Klick-klack, macht die Schranktür über dem Herd leise, als ich sie aufziehe. Da ist Wodka. Ich gieße mir ein Glas ein und gebe Limettensirup und Eis dazu.
    Ich sitze in der glutroten Dunkelheit des Wohnzimmers, und die Eiswürfel klirren im Glas und funkeln wie kleine Lichter. Lieber würde ich Rotwein oder Whisky trinken – irgendetwas, das einen in einer kalten Novembernacht innerlich wärmt. Trotzdem ist der Drink wohltuend, und als Jake wieder herunterkommt, habe ich sicher noch zwei oder drei mehr intus.
    »Ist Dad immer noch weg?« Seine Silhouette steht in der Tür,

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