Am ersten Tag - Roman
kam ich mir dumm vor.
Mein Gastgeber teilte sein Abendessen mit mir, der Junge blieb bei uns. Er musterte mich unaufhörlich. Ich hatte meine Jacke auf einen Hocker gelegt, und ohne Scham machte er sich daran, die Taschen zu durchsuchen. Er fand Keiras Anhänger und legte ihn sofort zurück. Ich hatte plötzlich das Gefühl, dass meine Gegenwart ihn nicht mehr erfreute, denn er zog sich gleich wortlos zurück.
Ich schlief auf einer Matte am Boden und erwachte im Morgengrauen. Nachdem ich den besten Kaffee meines Lebens getrunken hatte, lief ich auf dem kleinen Landeplatz umher und suchte einen Weg, meine Reise fortzusetzen. Dem Ort fehlte es nicht an Charme, doch ich wollte natürlich nicht ewig hierbleiben. In der Ferne vernahm ich ein Motorgeräusch. In eine Staubwolke gehüllt, kam ein Jeep in meine Richtung gefahren. Der Wagen hielt neben der Piste an, und zwei Männer stiegen aus. Beide waren Italiener, und ich hatte Glück, denn sie sprachen ein akzeptables Englisch und machten noch dazu einen recht sympathischen Eindruck. Ohne dass meine Anwesenheit an diesem Ort sie zu verwundern schien, fragten sie mich, wohin ich wollte. Auf der Landkarte, die sie auf der Motorhaube ausgebreitet hatten, deutete ich mit dem Finger auf einen Punkt, und sie boten mir spontan an, mich ein Stück mitzunehmen. Ihre Anwesenheit schien den Jungen noch mehr zu stören als die meine. War das eine Reminiszenz aus der italienischen Kolonialherrschaft? Ich hatte keine Ahnung, aber ganz offensichtlich missfielen ihm meine beiden mysteriösen Retter.
Nachdem ich mich ganz herzlich bei meinem Gastgeber bedankt hatte, stieg ich in den Jeep. Den ganzen Weg über bombardierten mich die beiden Italiener mit Fragen über meinen Beruf, das Leben in der Atacama-Wüste und in London sowie über die Gründe meiner Äthiopienreise. Ich hatte wenig Lust, mich über den letzten Punkt näher auszulassen, und begnügte mich mit dem Hinweis, ich wolle eine Frau besuchen, was für die beiden Italiener offenbar ein plausibler Grund war, sich bis ans Ende der Welt zu begeben. Nun erkundigte auch ich mich, was sie hier zu tun hätten. Sie besaßen eine Firma in Addis Abeba, die Stoffe exportierte, und da sie Äthiopien liebten, nutzten sie jede Gelegenheit, um das Land zu erkunden.
Es war schwer, mein Ziel genau zu lokalisieren, und ich war nicht sicher, ob eine Straße bis dorthin führte. Der Fahrer schlug vor, mich in einem Fischerdorf am Ufer des Omo abzusetzen, dort könnte ich leicht einen Platz auf einem Boot finden, das flussabwärts führe. So hätte ich die besten Chancen, das gesuchte Archäologenlager zu finden. Da sie die Gegend gut zu kennen schienen, beschloss ich, ihrem Rat zu folgen. Der Beifahrer bot mir seine Dienste als Übersetzer an. Er lebte schon so lange hier, dass er Grundkenntnisse in verschiedenen äthiopischen Dialekten hatte, und er wollte versuchen, einen Fischer zu finden, der mich an Bord seiner Piroge nehmen würde. Am Nachmittag nahm ich in dem schmalen Boot Platz, das meine Begleiter aufgetrieben hatten, und verabschiedete mich von ihnen, als es sich vom Ufer entfernte und von der Strömung treiben ließ.
Keira zu finden, war nicht so einfach, wie meine beiden italienischen Freunde vermutet hatten. Der Omo teilt sich in verschiedene Flussarme, und jedes Mal, wenn die Piroge in einen schiffbaren Wasserweg bog, fragte ich mich, ob wir nicht an dem Lager vorbeiführen, ohne es zu sehen. Gerne hätte ich die
atemberaubende Landschaft genossen, von der ich hinter jeder Biegung mehr entdeckte, doch ich war ganz damit beschäftigt, darüber nachzudenken, wie ich Keira den Grund meiner Reise erklären sollte, über den ich mir selbst nicht ganz im Klaren war.
Der Fluss führte jetzt durch eine schmale Felsenge, die eine äußerst exakte Navigation erforderte. Der Pirogenführer war darauf bedacht, sein Boot genau in der Mitte des Wasserlaufs zu halten. Dann öffnete sich ein weiteres Tal, und auf einem kleinen Hügel entdeckte ich das Lager, das ich so sehr zu finden hoffte.
Wir legten an einem Ufer aus Sand und Schlamm an. Ich nahm meine Tasche, verabschiedete mich von dem Fischer und folgte einem kleinen Pfad durchs hohe Gras. Ich traf einen Franzosen, den mein plötzliches Erscheinen fast zu Tode erschreckte. Als ich ihn fragte, ob hier eine gewisse Keira arbeiten würde, deutete er in Richtung Norden und wandte sich wieder seiner Tätigkeit zu. Etwas weiter oben kam ich an einem Zeltdorf vorbei und erreichte
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