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Am Horizont die Freiheit

Am Horizont die Freiheit

Titel: Am Horizont die Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Molist
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schutzlose Kinder sind.«
    »Nun, dann nehmt sie mit zu Euch nach Hause. Hier unterstützen wir schon genügend Arme.«
    »Das kann ich nicht. Außerdem gehorche ich nur meinen Anweisungen.«
    Joan krampfte sich das Herz zusammen. Niemand wollte sie haben. Wohin sollten sie gehen, wenn dieser Mönch sie hinauswarf? Gabriel begann zu weinen, und er nahm ihn in den Arm, um ihn zu trösten.
    Es trat ein unbehagliches Schweigen ein, und dabei warfen sich der Mönch und Bartomeu abschätzende Blicke zu.
    »Bruder«, griff schließlich Jaume in demütigem Ton ein, »sie sind kleine Kinder und essen wenig. Wir können sie hier in der Küche als Gehilfen des Kochs und im Garten beschäftigen, bis der Prior kommt und uns verspricht, für ihren Unterhalt zu sorgen. Wenn Ihr sie hinauswerft, wird der Prior das außerdem als Argument gegen Euch bei seinen Ordensoberen vom Heiligen Grab in Italien benutzen. Ihr wisst ja, wie groß sein Einfluss ist.«
    Der Mönch ließ ein Brummen hören und starrte Jaume nachdenklich an. Dieser fixierte ihn ebenfalls, wobei er die Hände auf dem dicken Bauch gefaltet hatte.
    »Ich glaube nicht, dass uns der Prior so viel zulegt, wie diese Jungen essen können«, sagte er schließlich in ruhigerem Ton. »Ich nehme sie vorläufig auf. Unter zwei Bedingungen.«
    »Was für Bedingungen?«, fragte Bruder Jaume nach.
    »Dass Mosén Bartomeu für den Älteren eine Arbeit außerhalb des Klosters sucht, die einbringt, was er kostet, und dass der Kleine in Küche und Garten hilft. Ich hoffe, der Prior löst das Problem, sobald er kommt.«
    »Einverstanden«, sagte Bartomeu.
    »Amen!«, stimmte Bruder Jaume zu. »Kinder, küsst dem Subprior die Hand!«
    Joan und Gabriel standen schüchtern auf.
    »Vorwärts!«
    Die Hand war kalt. Als Joan sie küsste, verspürte er den gleichen Widerwillen, als hätte er eine Schlange geküsst.
     
     
    Kurz vor dem Vespergebet zog Bartomeu seinen Kapuzenmantel über, weil er fortgehen wollte. Es regnete ständig weiter. Das abnehmende Abendlicht machte den Tag noch trüber und grauer, und die Jungen wurden von dem Gefühl überwältigt, völlig schutzlos zu sein.
    »Bartomeu, geht nicht fort, lasst uns nicht hier allein«, flehte ihn Gabriel an und packte ihn am Arm.
    Joan empfand das Gleiche wie sein Bruder, doch er sagte nichts. Er war groß genug, um zu verstehen, dass alles Bitten und Betteln unnütz sein würde. Sie könnten ihr Schicksal nicht ändern.
    »Fürchte dich nicht«, antwortete der Mann bekümmert. »Das Kloster wird euch gefallen.«
    »Bartomeu, nehmt uns mit zu Euch. Bitte!«, stieß der Kleine hervor und brach in Tränen aus.
    »Ich kann nicht, Gabriel. Meine Frau würde euch nicht aufnehmen, und das Haus gehört ihr. Aber mach dir keine Sorgen, ich wohne in der Nähe und werde euch immer besuchen.«
    Der Kleine erwiderte nichts, doch er klammerte sich mit aller Kraft an Bartomeu und ließ ihn nicht los. Joan begriff, wie lieb er den Kaufmann in wenigen Tagen gewonnen hatte. Die Geschichten, die er erzählte, sein unbeschwertes Lächeln, die Fürsorge, mit der er sich um sie kümmerte, das Gefühl der Sicherheit, das man bekam, wenn man bei ihm war – all das bewirkte, dass er ihnen wie ein Teil ihrer Familie vorkam. Wenn Bartomeu nun fortging und sie an diesem finsteren Ort zurückließ, fühlte er sich ebenso im Stich gelassen wie sein Bruder.
    »Ach was. Ach was, Gabriel«, sagte Bruder Jaume mit seiner tiefen und kräftigen Stimme. »Bartomeu muss gehen. Zu Hause wartet man auf ihn. Hör zu, nach dem Gebet stelle ich euch dem Novizen vor. Er ist etwas älter als ihr, aber ihr werdet sicher Freunde.«
    Bartomeu streichelte Gabriel über den Kopf, während Bruder Jaume sie behutsam voneinander löste. Danach gab der Kaufmann Joan einen liebevollen Klaps auf die Wange.
    »Wir sehen uns bald wieder. Gott behüte euch«, sagte er zum Abschied.
    Sie sahen, wie sich Bartomeu die Kapuze überzog und versuchte, sich einen Weg durch die Pfützen zu bahnen. Mit wenigen langen Schritten lief er im Regen über den Hof und verschwand aus ihrem Gesichtsfeld.
    Joan spürte, dass Gabriel seine Hand festhielt. »Mach dir keine Sorgen, ich kümmere mich um dich«, sagte er und umarmte ihn.
    »Er könnte euch nicht zu sich nach Hause mitnehmen, selbst wenn er wollte«, erklärte Bruder Jaume, als der Kaufmann gegangen war. »Besteht nicht darauf. Sein Vater hat ihn enterbt, aber er ist klug und gutaussehend, und er hat eine hübsche und reiche Frau geheiratet. Sie

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