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Amelia Peabody 13: Der Herr der Schweigenden

Titel: Amelia Peabody 13: Der Herr der Schweigenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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der Suche nach dem »verschollenen Grab der Prinzessinnen« –, hinfiel, sich ein Bein brach oder das Genick …
    »Das nennen wir reine Spekulation«, erklärte er ernst. »Soll heißen, wir wissen es nicht. Wissenschaftler verschwenden ihre Zeit nicht darauf, etwas zu suchen, was vielleicht gar nicht vorhanden ist.«
    »Wo?« Jumana ließ sich von seinem gestrengen Ton nicht aus der Ruhe bringen.
    »Irgendwo! Hast du nicht verstanden, was ich gesagt habe?«
    »Damit meint er, dass du nicht allein in die Berge gehen darfst«, erläuterte Nefret und entkorkte die Wasserflasche.
    »Aber das tun wir doch oft! Stimmt’s, Jamil?«
    Sie streckte ihr Bein aus und stupste Jamil mit ihrem Fuß an. Er funkelte sie erbost an. »Nein. Seit unserer Kindheit nicht mehr. Du bist kein Kind mehr, du bist eine Frau. Frauen klettern nicht in die Berge, sie bleiben zu Hause. Unser Vater sollte längst einen Ehemann für dich gefunden haben. Er wird nicht dulden …«
    »Es ist genug, Jamil«, unterbrach Nefret ihn. In Jumanas Augen schimmerten Tränen. Sie war eine begnadete kleine Schauspielerin, aber diesmal hielt Nefret ihren Kummer für echt. Sie und ihr Bruder mussten in ihrer Kindheit gute Freunde gewesen sein, vor der althergebrachten Trennung der Geschlechter, und Jamils maskulines Ego hatte diese Nähe zerstört.
    Den Rest des Tages verbrachten sie im Ramesseum. Sie kletterten über verfallene Mauern und Säulen und plauderten mit den Männern des Dorfes, die auf Touristen warteten. »Ramses der Große« war einer der wenigen Pharaonen, den die meisten Besucher kannten, und der zerstörte Koloss jenes Herrschers war berühmt wegen seiner Assoziation mit Shelleys Sonnett Ozymandias.
    Seit den Tagen dieses Dichters waren nicht nur das Haupt, sondern auch die Beine in Trümmer gefallen. Als sie die Touristen passierten, die sich rings um die Fragmente geschart hatten, vernahmen sie eine sonore Stimme, die den einzigen Satz rezitierte, an den sich der Durchschnittsmensch normalhin erinnert – Shelleys ironischen Kommentar auf die Sinnlosigkeit menschlicher Eitelkeit: »›Sieh meine Werke, Allmächtiger, und verzweifle.‹«
    Der gesamte Innenhof war mit Statuenfragmenten, Säulentrümmern und anderem Geröll bedeckt; aber das Haupt aus schwarzem Granit, das Teil eines kleineren, aber noch schöneren Riesenstandbilds des Königs gewesen war, glänzte durch Abwesenheit. Sie hatten nicht erwartet, irgendwelche Anhaltspunkte zu finden, wie die Täter es davonschaffen konnten – Spuren von Füßen, Karren oder Tieren waren inzwischen so gut wie verwischt –, und Ramses’ Bemühungen, die »Aufseher« zu befragen, blieben erfolglos. Einige verdrückten sich schleunigst, als sie seine Blicke gewahrten; diejenigen, die er zu fassen bekam, gaben sich vollkommen unwissend. Zu der fraglichen Zeit waren alle irgendwo anders gewesen.
    »Einige von ihnen müssen bestochen worden sein, damit sie sich woanders aufhielten«, gab Ramses zu bedenken.
    »Zweifellos«, bekräftigte Nefret. »Aber sie wissen genau, dass wir nichts beweisen können.«
    Sie strebte zum Säulensaal. »Zumindest scheinen die Reliefs unangetastet«, bemerkte sie.
    »Ja, ich sehe keine frischen Meißelspuren. Der alte Ramses war ein streitbarer Bas … Bursche, nicht wahr?« Die sich ihnen darbietende Szene zeigte die ägyptischen Streitkräfte beim Angriff auf eine Stadt in Palästina. Hoch auf seinem Streitwagen preschte der Pharao über die niedergemetzelten Opfer, während sein Sohn eine Reihe kniender Widersacher fesselte und züchtigte. »Nicht einmal Thutmosis III. erfreute sich dermaßen an den Gefallenen.«
    »Es juckt dir in den Fingern, sie zu kopieren, oder?«, erkundigte sich Nefret.
    »Das würde ich David überlassen. Ramses hat den verdamm …« Aus seinem Augenwinkel nahm er wahr, wie Jumana eifrig mitschrieb, darauf korrigierte er seine Aussage. »Er hat die Schlacht verloren, weißt du. All das ist reine Propaganda. Erinnert einen an das Kriegsministerium, nicht wahr?«
    »An alle Kriegsministerien«, murmelte Nefret. »Durch die Jahrhunderte.«
    Der hintere Teil des Tempels war verfallen. Von Nefret dazu angehalten, setzte Ramses seinen Vortrag fort. »Die dem König und den unterschiedlichen Gottheiten geweihten Kapellen waren die entlegensten und heiligsten Teile des Tempels und ausschließlich den Priestern vorbehalten. Jeden Morgen öffneten die Geistlichen die Türen der Schreine, salbten die Statuen, kleideten sie in saubere Gewänder und

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