Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Amelia Peabody 15: Der Herr des Sturms

Titel: Amelia Peabody 15: Der Herr des Sturms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
Vom Netzwerk:
Ein spontaner Geistesblitz suggerierte ihm, dass er sich das Meiste nur einbildete und sie so sah, wie sie es wollte.
    »Du hast dir viel Mühe gegeben mit deinem Kostüm«, murmelte er. »Aber trotzdem, ich erkenne dich nicht. Warum bin ich hier? Was willst du von mir?«
    »Dich sehen, und ich möchte, dass du dich wieder an mich erinnerst. Bleib bei mir, nur für einen Tag … oder zwei. Ich verspreche, es wird dir gefallen.«
    Daran zweifelte er nicht. Es gab eine ganze Reihe von euphorisierenden Drogen, und sie schien sich bestens damit auszukennen. Mühsam setzte er sich auf. Sie trat zurück und hob eine Hand.
    »Du vergeudest unnötig deine Kräfte«, murmelte sie. »Ich will dir nichts Böses. Du stehst unter meinem Schutz. Vergiss das nicht, hab keine Furcht, was auch geschieht. Du wirst mich erkennen, wenn du mich das nächste Mal siehst.«
    Ein weißer Lichtstrahl schoss aus ihrer Hand und ihm voll in die Augen. Geblendet und benommen sank er zurück in die Kissen. Als er wieder sehen konnte, war sie fort und die Kohlenpfanne stand an ihrem angestammten Platz.
    Ramses wusste, dass er innerhalb von Minuten würde handeln müssen, bevor der Rauch der Droge ihn erneut berauschte. Er robbte so weit wie eben möglich davon weg und zog die Knie an.
    Er hatte dies viele Male praktiziert, aber jetzt waren seine Bewegungen ungeschickt, und erst nach längerem Tasten fanden seine ausgestreckten Finger den Stiefelabsatz. Nachdem er diesen entfernt hatte, lag er bewegungslos da und atmete in die Kissen. Darauf zog er die dünne, im Absatz versteckte Stahlklinge heraus. Sie war so scharf, dass seine Finger bluteten, noch ehe er seine Handfesseln gelöst hatte. Der Stahl glitt ihm mehrmals aus der Hand, bis er das zu einem Seil gewundene Seidenband durchtrennt hatte. Für Augenblicke saß er da, betrachtete es verwirrt, dann warf er es beiseite und versuchte sich aufzurichten.
    Seine Knie zitterten, also kroch er zu der hintersten Ecke des Raums, tastete sich entlang der Wand, hinter die schweren Vorhänge, bemüht, ein Fenster zu finden.
    Schließlich glitten seine Finger in die geschnitzten Öffnungen einer Holzblende, wie sie in den Harems angebracht waren, damit die Damen ins Freie schauen konnten, ohne gesehen zu werden. Mit letzter Kraft wuchtete er den Laden auf und sich auf den Fenstersims, wo er die süße Nachtluft in langen Zügen einatmete.
    Süß im Vergleich zu der Luft im Raum jedenfalls. Er hätte diese Geruchsvielfalt auf Anhieb wieder erkannt –
    Tierdung und faulender Unrat, brennende Holzkohle, der Duft der nachtblütigen Gewächse – der unverwechselbare Duft von Kairo, wie seine Mutter es gerne umschrieb. Er war noch immer in Kairo. Aber wo in Kairo? Die frische Luft ernüchterte ihn, und er hob den Kopf auf der Suche nach einem Anhaltspunkt. Er befand sich hoch über der Straße, im ersten oder zweiten Geschoss; der Balkon des Nachbarhauses war nur eine Armeslänge entfernt. Die Fenster waren dunkel. Es musste bereits spät sein. Spät am selben Abend? Wie viel Zeit war wohl vergangen? Die Vorstellung, dass seine Frau und seine Eltern ihn verzweifelt suchten, trieb ihn zur Eile an. Mit angehaltenem Atem stolperte er zurück zu dem Diwan, fand den abgetrennten Stiefelabsatz und die Klinge; es handelte sich um eine Spezialanfertigung, deren Wiederbeschaffung schwierig geworden wäre. Er suchte erst gar nicht nach einer Tür. Sie wäre ohnehin abgesperrt. In dem Raum war genug Seidenstoff, um ein Seil zu winden, indes wollte er keine Zeit verlieren. Die schlafwandelnde Dame käme sonst vielleicht noch auf die Idee, ihm einen weiteren Besuch abzustatten. Er ging zurück zum Fenster, schwang sich über den Sims und landete auf Händen und Füßen in einem Haufen Gemüseabfällen.
    Es roch übel, aber immer noch besser als der benebelnde Rauch der Kohlenpfanne. Er rappelte sich auf, lehnte sich an die Wand und inspizierte zur Orientierung seine Umgebung. Er kannte die Altstadt gut, aber die Straßen waren sich alle ähnlich, eng und gewunden, von hohen Gebäuden eingefriedet und endeten häufig genug in einer Sackgasse. Er rieb sich die Augen. Ein Geräusch über ihm ließ ihn nach oben schauen. Gegen das schwach erhellte Fenster zeichneten sich die dunklen Umrisse eines männlichen Oberkörpers ab. Er schlich sich schleunigst in die Dunkelheit und von einem schmalen Durchgang in den nächsten.
    Er hatte Glück; die leisen Geräusche der Verfolger verebbten, und er erreichte schließlich einen der

Weitere Kostenlose Bücher