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Amelia Peabody 15: Der Herr des Sturms

Titel: Amelia Peabody 15: Der Herr des Sturms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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kleinen, namenlosen Plätze. Er war schon einmal dort gewesen. Aus dem verwitterten Brunnen in der Mitte spritzte eine schwache Fontäne. Auf einer Seite befand sich ein verrufenes Café, das er und David gelegentlich aufsuchten. Das Kaffeehaus war dunkel und verriegelt. Der Platz war verlassen, bis auf die reglos in einen Hauseingang gekauerte Gestalt eines Bettlers.
    Inzwischen waren die Spinnweben in seinem Kopf wie weggewischt. Er wusste, wo er war: nicht weit von der Rue Neuve, weniger als eine Meile vom Hotel entfernt. Am Brunnen wusch er sich das Blut und die übelriechenden Unratspritzer von Händen und Armen. Bevor er sich zum Hotel aufmachte, warf er dem schlafenden Mann am Boden ein paar Münzen zu. Eine Opfergabe für eine Gottheit schien ihm angemessen. Für einen Gott – oder eine Göttin. Das Kostüm der Frau war das von Hathor, der Herrin der Türkise, der Goldenen Göttin, gewesen.

    Vor den Fenstern des Salons dämmerte es bereits. Nefret und ich hatten stundenlang ausgeharrt. Wir hatten Emerson viel früher zurückerwartet; er hatte versprochen, uns die Ergebnisse seiner Suche noch vor dem Morgengrauen mitzuteilen. Nefret verkraftete es weit besser als ich. Seit ihrer Kindheit stand sie mit Ramses in einer merkwürdigen mentalen Verbindung; sie behauptete – und etliche Vorfälle belegten dies –, dass sie genau wisse, wann er in Gefahr schwebe. Sie versicherte mir, dass sich derzeit nichts dergleichen ankündige. Meine Logik sagte mir, dass Ramses sich fortwährend in derartige Kalamitäten stürzte und dass er für gewöhnlich unbeschadet wieder herauskam. Aber Logik ist ein schwacher Trost, wenn das Schicksal eines geliebten Menschen ungewiss ist.
    Trotz ihrer Gefasstheit war Nefret als Erste auf den Beinen, als es an der Tür klopfte. Ein verschlafener Sufragi reichte ihr eine Notiz und verharrte in Erwartung auf ein Bakschisch. Ich gab es ihm, unterdessen überflog Nefret den Zettel. Ein inbrünstiger Fluch entwich ihren Lippen.
    »Deine Ausdrucksweise, mein Schatz«, tadelte ich, den Papierfetzen an mich nehmend.
    Nichts Dramatisches passiert, stand da in Ramses’ unverkennbarem Gekritzel. Ich bin bald wieder bei euch.
    »Gott sei Dank«, hauchte ich. »Setz dich, Nefret.«
    Nefret entriss mir die Nachricht. »Er hätte wenigstens ›Liebe Grüße‹ hinzufügen können. Schande über ihn! Wo ist er überhaupt?«
    Sie entzog sich meiner tröstlichen Umarmung und strebte zur Tür. Diese sprang auf, und Ramses trat ins Zimmer.
    Ramses’ angespanntes Lächeln war wie weggewischt, als Nefret auf ihn zustürzte und seine Arme umschloss. »Wo bist du gewesen? Was ist passiert? Wieso schickst du uns diese alberne Notiz, statt direkt herzukommen?«
    »Als ich das letzte Mal ohne Vorwarnung hier aufgetaucht bin, bist du auf der Stelle in Ohnmacht gefallen«, verteidigte sich Ramses. »Guten Abend, Mutter. Oder besser, guten Morgen. Wo ist Vater?«
    »Er sucht dich natürlich.« Ich räusperte mich, denn meine Stimme klang etwas rau. »Nefret, hör auf, ihn zu schütteln.«
    »Und komm mir bloß nicht zu nahe.« Ramses schob sie von sich. »Ich bin total verdreckt, und ich stinke wie ein Müllhaufen.«
    Sie schob seine Hände beiseite und umarmte ihn. »Es muss wahre Liebe sein«, bemerkte er. »Schätzchen, ich muss baden und mich umziehen. Danach erzähle ich euch die ganze verrückte Geschichte. Könnt ihr Vater irgendwie erreichen, damit er die Jagd abbläst?«
    »Wir erwarten ihn jede Minute«, erwiderte ich. »Er sollte längst hier sein. Lass dich von uns nicht abhalten, mein lieber Junge; du riechst wirklich übel. Ich werde Frühstück bestellen. Wenn dein Vater bis dahin nicht zurück ist, werde ich versuchen, ihn zu finden.«
    »Danke, Mutter. Nefret, bitte, lass mich los. Ich brauche nicht lange.«
    »Ich komme mit.« Sie nahm seine Hände und drehte sie um. »Diese Kratzer sind wieder aufgeplatzt, und du hast dich ziemlich böse geschnitten. Was zum Teufel …«
    »Er soll sich erst umziehen«, warf ich ein. »Und – äh – mach dich auch ein bisschen frisch. Sein Geruch scheint auf dich abgefärbt zu haben.«
    Nachdem ich ein opulentes Frühstück bestellt hatte, wusch ich mir Gesicht und Hände und zog ein bequemes Ensemble an. Erfrischt und inzwischen entsetzlich gespannt, kehrte ich in den Salon zurück, wo ich Emerson vorfand, der den Sufragi herumkommandierte.
    »Lass den armen Mann in Ruhe, Emerson«, tadelte ich. »Ich habe bereits Frühstück bestellt, und Ramses ist auch

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