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Amelia Peabody 15: Der Herr des Sturms

Titel: Amelia Peabody 15: Der Herr des Sturms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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unwichtig schienen, sollten in den nächsten Tagen bittere Früchte tragen. Ich bin ein aufrichtiger Mensch: Ich habe wirklich nicht damit gerechnet. Trotzdem überlief mich ein unbehaglicher Schauer, jenes unterschwellige Gefühl, etwas verdrängt oder übersehen zu haben, das meine Leser freilich auch kennen.
    Die Stunden des Wartens schleppten sich dahin. Nefret war an Ramses’ Schulter eingedöst, als sie schließlich eintrudelten. Unmöglich, das stürmische Wiedersehen zu beschreiben: Umarmungen, Stimmengewirr und Freudentränen. Das ungehaltene Quengeln des jüngsten Familienmitglieds brachte mich wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Evvie, Davids und Lias Jüngste, war ein engelhaftes kleines Geschöpf, blauäugig und blond wie ihre Mutter. Jetzt sah sie überhaupt nicht engelhaft aus; ihr Gesichtchen bestand nur noch aus einem weit aufgerissenen Mund, und ihr Gequengel steigerte sich zu durchdringendem Geschrei.
    Nachdem er die Erwachsenen begrüßt hatte, drehte Emerson sich strahlend und mit ausgebreiteten Armen zu Dolly. Der drahtige kleine Knirps, der nach seinem Urgroßvater Abdullah hieß, war erst vier, mit Davids schwarzen Haaren und Augen und dem hübschen Gesicht seiner Mutter. Er straffte die Schultern und rührte sich nicht, wirkte indes etwas skeptisch – kein Wunder bei meinem imposanten Gatten!
    »Stürz dich nicht so auf das Kind, Emerson«, empörte ich mich. »Er erinnert sich nicht mehr an dich. Lass ihm Zeit, bis er sich an all die neuen Gesichter gewöhnt hat.«
    »Oha.« Emerson schrak förmlich zurück. »Ähm … tut mir Leid.«
    Darauf nahm der Kleine allen Mut zusammen. »Du bist mein Onkel Radcliffe.« Er streckte die Hand aus. »Wie geht es dir, Sir?«
    Emerson zuckte mit keiner Wimper bei seinem Vornamen, den er zutiefst verabscheut. Stattdessen fasste er lächelnd die winzige Hand. »Danke der Nachfrage, mein Kleiner. Willkommen in Ägypten.«
    »Schön, schön«, lobte ich. Mir war klar, dass Emerson sich in seinem Gefühlsüberschwang wieder auf den Jungen stürzen würde. »Lass uns dafür sorgen, dass die Kinder ins Bett kommen.«
    Beide waren sehr müde. Ich hatte ein kleines kaltes Abendessen vorbereiten lassen, das sie mit ihrem Kindermädchen einnehmen sollten.
    »Sie schlafen tief und fest«, berichtete ich den anderen nach meiner Rückkehr. »Vielleicht möchtet ihr euch auch zurückziehen? Ihr habt eine lange, anstrengende Reise hinter euch.«
    »Kommt nicht in Frage«, wehrte Evelyn mit hoch erhobenen Händen ab. »Ich bin viel zu glücklich und aufgeregt, ich kann jetzt nicht schlafen. Amelia, lass dich anschauen. Hast du die Gunst irgendeiner Gottheit gewonnen, dass du dich nie veränderst?«
    Ich sah keinen Anlass, den kleinen Flakon Haarfärbemittel zu erwähnen, der daran nicht ganz unbeteiligt war. Für Evelyn würde ich mich vermutlich nie verändern, aber das hatte ich – und sie auch. Ihr blondes Haar schimmerte inzwischen silbern, und sie war entsetzlich dünn; die blauen Augen blickten indes so liebevoll und lebhaft wie stets. Letztlich hatte sie Recht. Keiner von uns hatte sich entscheidend verändert.
    Zweifellos traf das auch auf Walter zu, allerdings war sein Äußeres ein Schock für mich. Seine eingesunkenen Schultern und das nervöse Blinzeln ließen ihn um Jahre älter wirken als sein älterer Bruder. Genau wie Emerson hatte er dunkles Haar und blaue Augen, und früher war er ein kräftiger junger Bursche gewesen, nicht so temperamentvoll wie mein Gatte, aber willens, sich und seine Lieben in Gefahrensituationen zu verteidigen. Ich zweifelte nicht an seiner Bereitschaft, dies auch weiterhin zu tun, aber die Jahre als gesetzter Wissenschaftler waren nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Emerson hatte es auch bemerkt. Er brach mitten in einer angeregten Beschreibung von Deir el-Medina ab und drückte Walters Arm.
    »Höchste Zeit, dass du endlich mal rauskommst«, blökte er. »Du musst wieder Farbe und ein paar Muskeln kriegen!«
    Walter lachte nur. Er wusste um Emersons raue Art, Zuneigung und Mitgefühl auszudrücken.
    Lia und Nefret saßen nebeneinander und erzählten von … von Babys! Wovon sollten zwei junge Mütter auch sonst reden? Lia war nach mir benannt, zog aber die Kurzform vor – um Verwirrung vorzubeugen und weil Emersons oftmals entrüstet gebrühtes »Amelia!« das arme Mädchen furchtbar nervös machte. Blond und mit blauen Augen wie ihre Mutter, weckte sie bezaubernde Erinnerungen an die junge Evelyn, die meine

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