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Amelia Peabody 15: Der Herr des Sturms

Titel: Amelia Peabody 15: Der Herr des Sturms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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Abgeschieden und eingefriedet von felsigen Schluchten und Senken, war es eine Monotonie in gräulichem Kalksandstein, ohne einen Tropfen Wasser oder einen grünen Tupfer. Überdies war es unheimlich still. Die Stimmen der Besucher hallten entsetzlich wider.
    Vermutlich hatte es auf die frühen Bewohner nicht so gewirkt, als die Häuser intakt gewesen waren und die Straßen voller geschäftiger, lärmender Menschen. Obschon eng zusammenstehend, waren die Hütten recht komfortabel für ihre Ära; der Grundriss sah mehrere Räume vor, mit Flur und Küche, zuweilen auch einen Vorratskeller. Fenster waren eher selten, dafür diente das Flachdach als luftiger Rückzugsort. Es gibt nur wenige antike ägyptische Dörfer, und wir hätten uns glücklich schätzen sollen, dass wir den Firman für besagtes Terrain bekommen hatten. Man muss es Emerson hoch anrechnen, dass er mit der gewohnten Energie und Umsicht ans Werk ging, denn im Grunde seines Herzens sehnte er sich nach Tempeln und Grüften. Ich freilich auch. Hätte sein aufbrausendes Naturell nicht zu einem Zerwürfnis mit Monsieur Maspero geführt …
    Aber nein, sagte ich mir und übte einmal mehr Nachsicht mit Emerson; es war nicht allein seine Schuld. Die meisten interessanten Grabungsstätten in Theben waren anderen Expeditionen zugesprochen worden, und es war höchst unwahrscheinlich, dass Lord Carnarvon seine Konzession für das Tal der Könige aufgeben würde. Er war ein großzügiger Gentleman, doch meine Andeutungen hatten nichts bewirken können.
    Es war offensichtlich, dass Emerson meinen kleinen Vortrag vom Vorabend völlig verdrängt hatte. Statt den anderen Zeit für ihre eigenen Aktivitäten einzuräumen, stellte er eine zweite Mannschaft zusammen, die außerhalb des eigentlichen Dorfes arbeiten sollte. Etwas betreten zog Walter mit Selim ab, um entlang der Dorfstraße zu graben. Emerson führte uns andere unter fortwährendem Dozieren in Richtung Tempel.
    Der ptolemäische Tempel war von einer Umfassungsmauer aus Nilschlammziegeln umgeben. Dieses häufig verwendete Baumaterial ist bemerkenswert resistent gegen den Zahn der Zeit; an manchen Stellen waren die Mauern immer noch fast sechs Meter hoch. Sie umschlossen nicht nur den späteren Tempel, der recht gut erhalten war, sondern auch die Ruinen früherer, von den Dorfbewohnern errichteter Opferschreine. Überreste solcher Baustrukturen befanden sich auch außerhalb der Mauern, im Norden und Westen. Etliche unserer inkompetenten Vorläufer hatten willkürlich tiefe Krater gegraben und dabei hübsche kleine Votivstelen und andere Objekte gefunden. Emerson beabsichtigte, das gesamte Gebiet methodisch zu erschließen – selbst für meinen Göttergatten eine Herausforderung.
    »Was für ein Durcheinander«, murmelte Lia, ihre Augen auf den Boden geheftet.
    »Korrekt«, sagte Emerson. Er rollte die Ärmel hoch. »Wir werden das Ganze in quadratmetergroße Sektionen aufteilen, beginnend … hier. Ramses und David, helft mir, die Markierungen zu setzen.«
    Während der Wochen, in denen wir die Artefakte aus dem Grab entfernt hatten, waren wir von Besucherscharen überrollt worden, die alle einen Blick auf den Schatz werfen wollten. Die Unverfrorenheit mancher Menschen erstaunt mich doch immer wieder; einige hatten es mit Bestechung probiert, andere hatten sich an unseren Wachleuten vorbeigeschmuggelt und versucht, die Abdeckungen herunterzureißen, die die fragileren Objekte schützten. Emerson war in seiner brüsken Art mit ihnen fertig geworden. Jetzt, da es nichts weiter zu sehen gab als eine Gruppe staubbedeckter Leute bei der Grabungstätigkeit, hatte sich der Andrang gelegt. Gleichwohl nahmen einige Touristen diesen Weg, weil der Tempel im Baedeker erwähnt wird. Ich nahm nicht an, dass sie uns sonderlich Ärger machen würden; die Schutthaufen waren kaum sehenswert und die Dragomans, die die Gruppen herumführten, wussten, dass man Emerson besser aus dem Weg ging.
    Trotzdem hielt ich aufmerksam Ausschau, deshalb entdeckte ich als Erste die etwas bizarre Gruppe. Sie waren zu viert, einmal abgesehen von diversen Eseltreibern und einem Dragoman. Eine der Frauen stützte sich schwer auf Letzteren. Ihre Schultern waren eingesunken, schlohweiß die vereinzelten Haare, die unter ihrem mantilleartigen Schleier hervorblitzten. Auf der anderen Seite wurde sie von einer jüngeren, wenn auch nicht mehr ganz jungen Frau gestützt. Deren dunkles Haar war von grauen Fäden durchzogen, das Gesicht von Linien gezeichnet.

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