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Amelia Peabody 15: Der Herr des Sturms

Titel: Amelia Peabody 15: Der Herr des Sturms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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Sie half der älteren Dame auf einen Felsbrocken und fächelte ihr Luft zu.
    Allerdings waren es die beiden anderen, auf die sich mein Augenmerk richtete. Dieses Paar vergaß man so leicht nicht. Emerson hatte sie ebenfalls bemerkt. Er straffte sich und starrte dorthin.
    Der Junge, der sich als Justin Fitzroyce vorgestellt hatte, entdeckte uns. Strahlend kam er auf mich zu, etwas ungelenk wegen des steinigen Terrains, dicht gefolgt von seinem ungehobelten Beschützer.
    »Es sind meine Freunde, die Emersons«, rief der Junge. »Sind Sie Archäologen? Was machen Sie hier? Wo ist die hübsche Dame?«
    Emerson hatte den Mund geöffnet. Jetzt schloss er ihn wieder und spähte hilflos zu mir. Unmöglich, schroff zu dem jungen Burschen zu sein, dessen Gesicht vor grenzenloser Gutmütigkeit strahlte.
    »Guten Morgen, Mr. Justin«, sagte ich. »Wie ich sehe, sind Sie noch immer in Luxor.«
    »Ja, uns gefällt es hier. Ich habe alle Gräber und einige der Tempel im Tal der Könige besichtigt. Aber es gibt noch so viel anderes zu sehen.« Er entdeckte Nefret und rief: »Da ist sie. Ich erinnere mich an ihren Namen – auch eine Mrs. Emerson. Es gibt zwei Mrs. Emersons.«
    »Drei, um genau zu sein«, räumte Nefret lächelnd ein. »Sie haben die dritte noch nicht kennen gelernt. Sind Sie und François allein hergekommen?«
    Die finstere Miene seines Begleiters schob sich wie eine Gewitterwolke neben das strahlende Gesicht des Jungen.
    »Ich kann auf den jungen Herrn aufpassen«, brummte er.
    »Aber wir sind nicht allein gekommen.« Justin drehte sich um und deutete auf die beiden Frauen. »Das ist meine Großmama. Seit unserer Ankunft geht es ihr gesundheitlich schon viel besser. Aber dies ist ihre erste Exkursion, und sie darf sich nicht überanstrengen.«
    »Wer ist die andere Dame?«, wollte ich wissen.
    »Sie ist keine Dame«, sagte Justin rundheraus. »Das ist Miss Underhill.«
    »Die Begleiterin Ihrer Großmutter?«
    Justin nickte. »Ich werde sie bitten, zum Hotel zurückzukehren. Ich bleibe bei Ihnen.«
    »Lassen Sie mich mit Ihrer Großmutter reden«, sagte ich, mit Emersons Protest rechnend. Bestimmt würde die alte Dame seinen Plan nicht gutheißen.
    Sie blieb sitzen, ihre Schultern gekrümmt und ihr Kopf gesenkt, als ich mich und Nefret vorstellte. Zunächst kam keine Reaktion. Dann antwortete sie, ihre zittrige Fistelstimme vom Alter gezeichnet: »Mein Name ist Fitzroyce. Ich hoffe, Sie verzeihen, wenn ich mich so rasch wieder verabschiede. Es war sehr interessant, aber in meinem Alter erschöpft einen schon die kleinste Anstrengung.«
    »Selbstverständlich«, erwiderte ich. »Können wir Ihnen irgendwie behilflich sein?«
    »Danke, nein.« Sie presste ein Taschentuch auf ihre Lippen.
    »Ich helfe der Dame«, erbot sich der Dragoman.
    Ich kannte den Burschen; er gehörte zu den verlässlicheren Fremdenführern in Luxor. Mrs. Fitzroyce schien entsprechendes Personal mitzuführen; ihre Begleiterin war ein paar Schritte zurückgeblieben und verharrte im Schatten einer Säule, ihre Haltung devot wie die einer Bediensteten. Sie trug die entsprechende Kleidung für diese Rolle, unauffällig und schlecht sitzend. Abgelegte Stücke von ihrer Chefin?, überlegte ich. Keine selbstbewusste Frau würde sich eine Kopfbedeckung wie diese zumuten: ein alter Strohhut mit ausgeblichenen Bändern, die unter dem Kinn gebunden wurden. Der zerschlissene Schleier war an mehreren Stellen zerrissen.
    »Ich bleibe hier«, verkündete Justin. »Ich möchte mir den Tempel der Hathor ansehen und meinen Freunden bei der Exkavation helfen.«
    Ich begann: »Tut mir Leid, aber …«
    Ein gackerndes Lachen der Alten unterbrach mich. »Sie möchten wohl nicht, dass er Sie stört, Mrs. Emerson? Du hast die Dame gehört, Justin. Komm mit mir.«
    Trotz des schrillen Tonfalls sprach Autorität aus der betagten Stimme. Justin schmollte, wie das Kind, das er geistig, vielleicht sogar körperlich noch war. Sein Alter hätte ich auf etwa vierzehn geschätzt. Seine geistige Reife ließ sich nicht so leicht bestimmen. Seine Wortwahl und Gesprächsführung waren bisweilen recht kultiviert. Dafür schienen mir sein soziales und emotionales Gebaren nicht ganz normal zu sein. Sein Verhalten war recht gewinnend, und es tat mir Leid, ihn enttäuschen zu müssen; dennoch lehnte ich die Übernahme der Verantwortung für den Jungen ab.
    »Na gut«, meinte Justin gedehnt. »Dann komme ich ein anderes Mal wieder. Wo wohnen Sie überhaupt?«
    »Das wäre nett.«

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