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Amelie und die Liebe unterm Regenschirm

Amelie und die Liebe unterm Regenschirm

Titel: Amelie und die Liebe unterm Regenschirm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Molden
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zwischen die Polster. Schließlich lag er auf dem Rücken und sah zu Amelie auf. Wie ein Vorhang umrahmte das Haar ihr Gesicht. Ihre violetten Augen waren radrund, und ihre dunklen Brauen hoben und senkten sich erregt. »So eine schöne Frau, schade, dass sie verrückt ist«, seufzte er. Dann sagte er laut und bestimmt: »Du kannst mir glauben, ich war im Bundeskanzleramt und habe nachgefragt. Ich habe den Portier gelöchert und bin dem Wachmann mit meinen Fragen auf den Geist gegangen. Ich wollte ihnen nicht glauben, dass sie sich an den Kerl mit den Galoschen nicht erinnern können und habe Angestellte des Hauses aufgehalten und mich nach einem Mann mit einem Gehfehler und ungewöhnlicher Beschuhung erkundigt. Rundum Fehlanzeige. Vergiss die Geschichte, Amelie. Du rennst einer Schimäre nach. Die haben weder einen Hinkenden noch einen Galoschenträger im Haus.«

5
    »Gnä’ Frau! Wenn ich Ihnen sage, bei uns hatscht kaana, dann hatscht bei uns kaana!«
    »Ich habe nicht gesagt, dass der Mann hatscht, sondern dass er hinkt.«
    »Hinken oder Hatschen, des macht doch kan Unterschied. Schau’n Sie, gnä’ Frau, bei uns im Haus sind rund dreihundert Leute beschäftigt und i’ kenn’ an jeden. Sie könn’ mir glauben: Wir haben keinen mit einer Gehbehinderung!«
    Nachdem Uli am vorigen Abend gegangen war, hatte Amelie beschlossen, den Portier des Bundeskanzleramtes selbst zu befragen. Vielleicht hatte Uli den Galoschenmann nicht richtig beschrieben, vielleicht hatte man Uli nicht ernst genommen, vielleicht hatte der Portier etwas gegen Schwule. Obwohl Uli seine Homophilie bedeckt hielt, gab es Menschen, vor allem Männer, die sie zehn Meter gegen den Wind rochen und negativ darauf reagierten.
    »Es könnte ja auch sein, dass der Mann nur zu Besuch gekommen ist, dass er irgendwo im Haus eine Besprechung gehabt hat«, bohrte Amelie weiter, was den Torhüter in steigendem Maß ergrimmte.
    »Also des is jetzt wirklich a Witz! Glauben denn Sie, liebe Frau, dass i’ mir jeden Fremden merken kann, der aus- und ein geht bei uns? Bei so viel Menschen? Den hätten’s miassn im Rollwagerl oder auf einer Tragbahre bringen, dann vielleicht…Wann, sagen Sie, soll das gewesen sein? Am Tag nach dem Staatsfeiertag? Da war i’ ja gar net im Dienst.«
    Der Mann hatte sich anfangs freundlich und hilfsbereit gezeigt. Erst als Amelie sein wiederholtes »Bedaure« nicht zur Kenntnis nehmen wollte, war er sauer geworden. Die junge Frau verletzte ihn in seinem Berufsstolz. Sie zweifelte an seiner Wachsamkeit – oder etwa nicht? Als sie nun auch noch wissen wollte, wann der Kollege vom Tag nach dem Staatsfeiertag wieder im Dienst sein würde, grunzte er ein ärgerliches »Übermorgen« und wandte sich grußlos von ihr ab.
    Auch die Recherche beim Diensthabenden vom 27. Oktober wurde eine Pleite. Der Mann erinnerte sich weder an einen Hinkenden noch an Galoschen, nur an das Sauwetter, das an dem Tag geherrscht hatte.
    Nicht verzagen, Amelie, auch in Heuhaufen werden zuweilen Nadeln gefunden, versuchte sie sich einzureden. Ihre Suche nach dem Unbekannten bedurfte eines Systems. Ein solches würde sie entwickeln. Und fortan würde sie niemandes Hilfe bei der Suche in Anspruch nehmen. Ihr eigener Spürsinn genügte. Ihre Antennen für den Mann waren ausgefahren und hochgradig empfindlich. Sie würde ihn finden.
    Zunächst freilich verabredete sie sich mit Hermann für den nächsten Samstag. Sie sei wieder gesund, ja, so gesund, dass sie gern einen Spaziergang machen würde. Hermann, kein Freund von körperlicher Ertüchtigung, zeigte sich zögerlich. Müsse das denn sein, nun, da das Wetter so unfreundlich sei. Schließlich gab er nach. »Wann und wo?«
    »Prater Hauptallee. Treffpunkt Lusthaus um vierzehn Uhr. Bei jedem Wetter.« Amelie sprach forsch darauflos und ließ eine Diskussion erst gar nicht aufkommen. Sie war fest entschlossen, an diesem Nachmittag mit Hermann Schluss zu machen. Im Gehen würde ihr das leichter fallen. Im Gehen musste man gradeaus schauen, das war gut, denn Augenkontakt erschwerte das Mitteilen unangenehmer Dinge. Auch mit Zärtlichkeiten würde es Hermann im Freien kaum versuchen, weil er in der Öffentlichkeit grundsätzlich nicht schmuste. Überdies brauchte sich das Gespräch nicht ewig hinzuziehen. Sobald gesagt war, was gesagt sein musste, würde Amelie behaupten, ihr sei kalt, sie wolle jetzt nach Hause, und zwar allein, um zu sich selbst zu finden. – Der Plan schien ihr sinnvoll. Und fair. Nun, da sie

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