American Psycho
Couch im Wohnzimmer warte, die Wurlitzer-Musikbox spielt »Cherish« von Lovin’ Spoonful, gelange ich zu dem Entschluß, daß Patricia heute nacht sicher ist, daß ich nicht plötzlich ein Messer zücken und nur so an ihr ausprobieren werde, daß ich mich nicht daran vergnügen werde, zuzusehen, wie sie aus Wunden blutet, die ich ihr durch Kehleaufschlitzen, Halsdurchschneiden oder Augenausstechen zugefügt habe. Sie hat Glück, obwohl es eigentlich keinen rechten Grund dafür gibt. Vielleicht ist sie sicher, weil ihr Geld, das Geld ihrer Familie sie heute nacht beschützt, oder weil mir einfach danach ist. Vielleicht hat das Glas Scharffenberger den Drang gedämpft, vielleicht will ich aber auch nur nicht diesen Alexander-Julian-Anzug dadurch ruinieren, daß mir diese Nutte ihn mit ihrem Blut vollspritzt. Was auch geschehen mag, schnöde Tatsache bleibt: Patricia wird am Leben bleiben, und dieser Triumph verlangt kein Geschick, keine Glanzleistungen der Vorstellungskraft, keinen Einfallsreichtum von irgend jemandem. Das ist der Lauf der Welt, meiner Welt.
Sie kommt dreißig Minuten zu spät, und ich sage dem Portier, er solle sie rauflassen, obwohl ich sie dann schon vor meiner Wohnungstür treffe, als ich gerade abschließe. Sie trägt nicht das Karl-Lagerfeld-Kostüm, das ich erwartet hatte, aber sie sieht trotzdem sehr adrett aus: eine Seidengaze-Bluse mit Straß-Manschettenknöpfen von Louis Dell ’Olio und eine bestickte Samthose von Saks, Kristallohrringe von Wendy Gell für Anne Klein und goldene Slingpumps. Ich warte, bis wir im Taxi Richtung Midtown unterwegs sind, bevor ich ihr erkläre, daß wir nicht ins Dorsia gehen, und entschuldige mich dann vielmals, erwähne etwas von ununterbrochenen Telefonaten, einem Feuer, einem rachsüchtigen Maître d’. Ich versuche, sie dadurch zu besänftigen, daß ich ihr vorschwärme, wie trendy, wie luxuriös das Restaurant ist, zu dem wir fahren, ich beschreibe die Pasta mit Fenchel und Banane, die Sorbets, aber sie schüttelt nur den Kopf, und ich kann ihr nur noch erklären, großer Gott, wie viel teurer selbst im Vergleich zum Dorsia das Barcadia doch geworden ist, aber sie bleibt unerbittlich. In regelmäßigen Abständen vergießt sie Tränen, ungelogen.
Sie sagt kein Wort, bis wir an einem mittelmäßigen Tisch im hinteren Bereich des Hauptspeiseraums sitzen, und dann auch nur, um einen Bellini zu bestellen. Ich bestelle zum Dinner die Shadrogen-Ravioli mit Apfelkompott als Vorspeise und den Fleischkäse mit Chèvre und Wachteljus als Hauptgericht. Sie bestellt Red Snapper mit Veilchen und Pinienkernen und als Vorspeise eine Erdnußbuttersuppe mit geräucherter Ente und Kürbispüree, was sich merkwürdig anhört, tatsächlich aber ganz gut schmeckt. Das New York Magazine nannte es ein »verspieltes, aber geheimnisvolles kleines Gericht«, und ich erzähle das Patricia, die sich eine Zigarette anzündet, dabei mein brennendes Streichholz ignoriert, beleidigt in ihrem Stuhl hängt, mir den Rauch direkt ins Gesicht bläst und mir gelegentlich wütende Blicke zuwirft, was ich aber, höflich wie ich sein kann, geflissentlich übersehe. Als unsere Teller kommen, starre ich lange auf mein Essen – die dunkelroten Fleischkäsedreiecke krönt Chèvre, der durch Granatapfelsaft pink eingetönt ist, Schnörkel von dickem hellbraunem Wachteljus umrahmen das Fleisch, und Mangostückchen schmücken den Rand des großen schwarzen Tellers –, ein bißchen verwirrt, bevor ich mich entschließe, es zu essen, und hastig die Gabel in die Hand nehme.
Das Dinner dauert zwar nur neunzig Minuten, es kommt mir aber vor, als würden wir schon eine Woche im Barcadia sitzen, und obwohl ich keine Lust habe, anschließend in den Tunnel zu gehen, erscheint das doch als eine angemessene Strafe für Patricias Verhalten. Die Rechnung beläuft sich auf 320 Dollar – weniger als ich eigentlich erwartet habe –, und ich bezahle mit meiner Platin-AmEx. Im Taxi Richtung Downtown – mein Blick ist aufs Taxameter geheftet – versucht unser Fahrer, ein Gespräch mit Patricia anzufangen, die ihn völlig ignoriert, während sie ihr Make-up in einer Gucci-Puderdose kontrolliert und noch mehr Lippenstift auf einen ohnehin schon kräftig geschminkten Mund aufträgt. Da war ein Baseballspiel heute abend, das ich wohl vergessen habe aufzunehmen und mir deshalb auch nachher nicht zu Hause ansehen kann, aber dann fällt mir ein, daß ich heute nach der Arbeit zwei Magazine gekauft habe, mit denen ich
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