American Psycho
«, fragt sie noch einmal. »Raus mit der Sprache, Mr. Bateman.«
»Was interessiert dich das?«
»Ich will es eben wissen«, sagt sie. »Du gehst doch nicht etwa zu dieser Evelyn?«
»Vielleicht«, lüge ich.
»Patrick«, sagt sie. »Laß mich hier nicht allein. Ich will nicht, daß du gehst.«
»Ich muß aber ein paar Videos abgeben«, lüge ich wieder und reiche ihr mein leeres Champagner-Glas, als im gleichen Augenblick wieder irgendwo eine Kamera blitzt. Ich gehe.
Die Band gibt eine recht flotte Version von »Life in the Fast Lane« zum besten, und ich schaue mich nach Hardbodys um. Charles Simpson – oder irgend jemand, der ihm bemerkenswert ähnlich sieht, mit Gel zurückgekämmte Haare, Hosenträger, Oliver-Peoples-Brille – schüttelt mir die Hand, ruft »Hey Williams« und fordert mich auf, ein paar Leute von Alexandra Craig gegen Mitternacht im Nell’s zu treffen. Ich drücke ihm bestätigend die Schulter und sage ihm, daß er mit mir rechnen kann.
Draußen stecke ich mir eine Zigarre an, betrachte nachdenklich den Himmel und erspähe Reed Thompson, der mit seinem Anhang – Jamie Conway, Kevin Wynn, Marcus Halberstam, keine Frauen – aus dem Puck Building kommt und mich zum Dinner einlädt, und obwohl ich vermute, daß sie Drogen haben, ist mir bei dem Gedanken, den Abend mit ihnen zu verbringen, nicht wohl, und ich beschließe, nicht in dieses salvadorianische Bistro mitzugehen. Schon allein deshalb, weil sie nicht reserviert haben und es somit nicht sicher ist, ob sie überhaupt einen Tisch bekommen. Ich winke ihnen nach, überquere die Houston, weiche anderen Limos aus, die von der Party kommen und gehe langsam uptown. Ich schlendere über den Broadway und bleibe vor einem Geldautomaten stehen, an dem ich, weiß der Teufel warum, noch mal hundert Dollar ziehe. Es ist einfach ein besseres Gefühl, 500 Dollar im Portemonnaie zu haben.
Ich gehe durch das Viertel mit den Antiquitätenläden unterhalb der Fourteenth. Meine Uhr ist stehengeblieben, und ich weiß nicht genau, wie spät es ist, vermutlich halb elf oder so. Schwarze dealen Crack im Vorübergehen oder bieten Handzettel für eine Party im Paladium an. Ich gehe an einem Zeitungsstand, einer chemischen Reinigung, einer Kirche und einem Diner vorbei. Die Straßen sind leer, das einzige Geräusch, das ab und zu die Stille durchbricht, stammt von den zum Union Square durchbrausenden Taxis. Ein Schwulenpärchen, spindeldürre Typen, kommt vorbei und glotzt auf mein Spiegelbild im Fenster eines Buchladens, während ich in einer Telefonzelle die Nachrichten auf meinem Anrufbeantworter abhöre. Einer von ihnen pfeift mir nach, der andere lacht: ein schrecklich hoher, überdrehter Laut. Ein abgerissenes Les-Misérables- Plakat flattert über den rissigen, uringetränkten Bürgersteig. Eine Straßenlaterne gibt ihren Geist auf. Jemand in einem Gaultier-Mantel pinkelt in einer Seitengasse. Dampf steigt aus der Kanalisation, bläht sich zu Wolken und verschwindet. Beutel mit gefrorenem Müll säumen die Bordsteine. Der Mond, bleich und tiefstehend, hängt genau über der Spitze des Chrysler Building. Irgendwo drüben im West Village heult die Sirene eines Rettungswagens auf, wird vom Wind weitergetragen, hallt nach und verebbt. Der Penner, ein Schwarzer, liegt im Eingang eines verlassenen Antiquitätenladens an der Twelfth auf einem Luftschacht, umringt von Müllsäcken und einem Einkaufswagen von Gristede’s, in dem er seine persönliche Habe aufzubewahren scheint: Zeitungen, Flaschen, Blechdosen. Ein handgeschriebenes Pappschild vorne am Einkaufswagen verkündet ICH BIN HUNGRIG UND OBDACHLOS. BITTE HELFT MIR. Ein Hund, ein kleiner Köter, struppig und klapperdürr, liegt neben ihm, mit einer Kordel am Griff des Einkaufswagens angeleint. Ich bemerke den Hund nicht, als ich das erste Mal vorbeigehe. Erst als ich wieder um den Block komme, sehe ich ihn auf einem Stapel Zeitungen liegen, wie er sein Herrchen bewacht und ein Halsband mit einem zu groß geratenen Namensschild trägt, auf dem GIZMO zu lesen ist. Der Hund schaut hoch zu mir, wackelt mit seinem Witz von einem Schwanz, und als ich meine behandschuhte Hand ausstrecke, leckt er sie hungrig. Der Mief von billigem Alkohol vermischt mit Exkrementen hängt hier wie eine schwere, unsichtbare Wolke, und ich muß den Atem anhalten, bis ich mich an den Gestank gewöhnt habe. Der Penner wacht auf, öffnet die Augen, gähnt, entblößt bemerkenswert dreckige Zähne zwischen aufgesprungenen violetten
Weitere Kostenlose Bücher