Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)
blätterte Betty Draper, wenn sie abends auf ihren untreuen Ehemann wartete, in Frauenzeitschriften wie Ladies’ Home Journal , McCall’s und Redbook . Solche Magazine sagten den Leserinnen, worauf es in dieser neuen, hochkomplizierten Frauenwelt ankam. »Wenn Jim nach Hause kommt«, steht in einer Werbeanzeige für Fertighäuser aus dem Jahr 1954, »scheint unser Wohnzimmer uns näher zusammen zu bringen.« Und für diese togetherness war natürlich niemand anders verantwortlich als Betty Draper.
Doch es gab noch eine andere Betty. Im Sommer 1942 schloss eine gewisse Bettye Naomi Goldstein am angesehenen Smith College in Northampton, Massachusetts, einer reinen Frauenhochschule, ihr Psychologie- und Soziologiestudium ab – summa cum laude, wie übrigens nicht wenige ihrer Kommilitoninnen. Das Smith College gehört noch heute zu den renommiertesten Frauencolleges der Vereinigten Staaten.
Nach einem Jahr in Berkeley begann Betty in New York als Journalistin zu arbeiten und wurde in verschiedenen linken Gruppen aktiv. Fünf Jahre später heiratete sie einen charmanten Veteranen namens Carl Friedan. Sie bekam ein Kind. Während ihrer zweiten Schwangerschaft wurde sie wegen ebendieser Schwangerschaft entlassen; Frauen mit Kindern waren in einer Zeitungsredaktion nicht erwünscht. Die Gewerkschaft lehnte es ab, sich für sie einzusetzen: Die Schwangerschaft sei ihr eigener »Fehler«. Zutiefst enttäuscht, zog sich Betty Friedan wie so viele Frauen dieser Generation in ihre Suburb zurück und arbeitete fortan als freiberufliche Journalistin.
Bei einem Treffen von Absolventinnen und Studentinnen des Smith College im Sommer 1957 wollte Betty Friedan ihre Kommilitoninnen von 1942 interviewen, um herauszufinden, was in den vergangenen fünfzehn Jahren aus ihren Idealen und Hoffnungen geworden war. Sie schlug dem Frauenmagazin McCall’s vor, die Zusammenfassung der Gespräche zu veröffentlichen; dort war man von ihrer Idee begeistert. Man erwartete eine optimistische Geschichte. Die Leserinnen sollten erfahren, auf welche Weise Bildung das Leben der Frauen bereichert hatte. Der Arbeitstitel für den Artikel lautete The Togetherness Woman .
Doch Friedan gab sich nicht zufrieden mit den Antworten, die sie bekam. Sie fragte ihre Kommilitoninnen auch nach Problemen mit ihrer Rolle als Frau und nach den wichtigsten Ursachen von Zufriedenheit oder Enttäuschung in ihrem derzeitigen Leben; dann wollte sie von ihnen wissen, was sie gern anders gemacht hätten. Völlig unerwartet erzählten die Frauen nun keine fröhlichen Geschichten mehr, stattdessen brach eine ungeheure Verbitterung und Enttäuschung aus ihnen heraus. Sie alle berichteten von Isolation, von Kindern, zu denen sie keine gute Beziehung hatten, von Ehemännern, die ihnen oft wie Besucher von einem anderen Planeten vorkamen. Sie fühlten sich herabgesetzt und lebendig begraben. Betty Friedan sprach von einem suburban syndrome , dem sie selbst, ihre früheren Mitstudentinnen und Millionen andere amerikanische Frauen zum Opfer gefallen seien. »Is this all?« , war eine Frage, die viele der Gesprächspartnerinnen stellten.
Und auch mit Frauen einer neuen Generation, den Studienanfängerinnen des Jahres 1957, sprach sie bei dem Treffen. Auf die Frage nach ihren Vorstellungen von der Zukunft schauten sie Betty Friedan mit leerem Blick an: heiraten natürlich, Kinder bekommen. Vor allem: aufhören zu arbeiten.
Friedan war schockiert. Was war mit diesen Studentinnen am Smith College, das sie selbst fünfzehn Jahre zuvor als intellektuell anregenden, lebendigen Ort erlebt hatte, was war mit dieser Generation von Frauen nur geschehen?
Zunächst sah es so aus, als müsse Friedan ihr Projekt begraben. McCall’s hatte plötzlich kein Interesse mehr. Ladie’s Home Journal erklärte sich zwar bereit, ihren Artikel zu drucken, doch die Redakteure schrieben ihn so um, dass sie seine Aussage vollkommen verdrehten. Auch das Magazin Redbook lehnte ihn ab. Schließlich erweiterte ihn Betty Friedan und veröffentlichte ihn 1963 als Buch unter dem Titel The Feminine Mystique ( Der Weiblichkeitswahn , 1966 ) . Es wurde zu einem der einflussreichsten Bücher des 20. Jahrhunderts, in viele Sprachen übersetzt und international über drei Millionen Mal verkauft. Und es kam genau zur richtigen Zeit; es war wie ein Startsignal für die zweite Welle der Frauenbewegung, in den Vereinigten Staaten wie in Europa. Übrigens auch in den Niederlanden: Der 1967 erschienene Artikel Het
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