Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)
Krach und den Staub, der Woche für Woche auf seinen Bio-Gemüsegarten niedergeht, hat eine Bürgerinitiative ins Leben gerufen: No Blow. Sie fordert ein Verbot von Laubbläsern wie in etlichen anderen kalifornischen Gemeinden. »Es ist ein aggressives, widerliches Reinigungsritual. Man entledigt sich des Abfalls vom eigenen Grundstück, indem man ihn zu den Nachbarn bläst.« Offizielle Berechnungen werden angeführt: Mit herkömmlichem Gartengerät benötigt man nur 20 Prozent mehr Zeit, um einen Garten laubfrei zu machen, als mit einem Laubbläser.
Die Gärtner und all jene, die grundsätzlich gegen Verbote sind, widersprechen. Moderne Laubbläser seien schon sehr leise, außerdem legten auch die Leute, die nun klagen, großen Wert darauf, dass ihre riesigen Rasenflächen tadellos in Ordnung seien »wie in den Zeitschriften«.
Hier wird eine empfindliche Saite berührt. Der New Yorker meint, der Laubbläserkrieg komme in gewisser Weise einem Referendum über die Bedeutung des Begriffs »Nachbar« in der modernen Vorstadt gleich: Ist man zusammen mit seinen Nachbarn Teil einer Gemeinschaft, oder duldet man einander bestenfalls noch? Die mexikanischen Arbeiter schlagen inzwischen zurück. Sie sind in den Streik getreten und haben den Bürgersteig vor dem Rathaus besetzt. Ein Laubbläserverbot vernichte Arbeitsplätze. Klassenkampf!
Unsere Freunde nehmen uns zu einer ungewöhnlichen Gedenkstätte mit, The Crosses of Lafayette. Sie ist schlicht und gerade dank dieser Schlichtheit beeindruckend: nichts als ein Hang, auf dem Tausende von weißen Kreuzen stehen, am oberen Ende zwei Sternenbanner und ein großes Schild mit der Aufschrift In Memory of Our Troops . Jeden Sonntag werden neue, frisch gestrichene Kreuze aufgestellt, für die Soldaten und Soldatinnen, die in der Woche davor im Irak ums Leben gekommen sind. Seit 2003 sind es mehr als viertausend.
Die meisten Kreuze sind anonym, auf manchen stehen ein Name, Jahreszahlen, ein Abschiedsgruß. Keith Jesse More, 1978 – 2006 . Until we meet again. Mom, Dad . Vor einem Kreuz – We will not forget you – hat jemand einen Hocker aufgestellt. Andere verschwinden fast hinter Blumen. Hier und dort sieht man anstelle eines Kreuzes einen Davidstern, sogar einen Halbmond. Denison – seine Mütze hängt auf dem Kreuz – » Days of pain for a liftime of pride, Mom, Dad . Wieder ein Hocker. Thank you for serving . May God bless you, Jake Yelner .«
Dieses Meer von Kreuzen, ohne jeden Kommentar, weckt starke Emotionen. Eltern und andere Verwandte legen weinend Blumen nieder, doch es kommt auch vor, dass jemand aus einem vorbeifahrenden Auto als »dreckiger Verräter« beschimpft wird. Ein Ehepaar wollte sogar gerichtlich die Entfernung des Kreuzes durchsetzen, das für ihre Tochter aufgestellt worden war. Die Gedenkstätte hat etwas Zwiespältiges, und ebenso widersprüchlich sind die Gefühle der meisten Menschen, die sie besuchen. Das Monument ehrt die Gefallenen und ist gleichzeitig ein großes Antikriegsmahnmal, Ausdruck von Trauer und zugleich Protest, denn sie macht schonungslos sichtbar, welcher Preis für den amerikanischen Kult des Krieges bezahlt werden muss.
Und das kann manch einer nur schwer ertragen. Denn in den Massenmedien kommt die Realität des Krieges meistens nicht vor. Es gibt großartige Ausnahmen, aber wenn man unterwegs in den diners und den Frühstücksräumen von Hotels die Nachrichten von Fox und KSFO verfolgt, hat man nicht den Eindruck, durch ein Land zu reisen, das zwei Kriege gleichzeitig führt. Man bekommt viel flatterndes Fahnentuch zu sehen, es wird theoretisiert, natürlich werden auch die üblichen Bilder aus den Kriegsgebieten gezeigt, doch die Wirklichkeit der Kämpfe im Irak und in Afghanistan wird von den großen populären Sendern weitgehend ausgeblendet, mehr als in Europa. Als wären die Armee und der Rest der Vereinigten Staaten getrennte Welten.
Zu Steinbecks Zeiten gab es diese Trennung zwischen Armee und Gesellschaft noch nicht. Der amerikanische Durchschnittssoldat des Zweiten Weltkrieges war ein » American Everyman« , wie man damals sagte. Die GIs waren überwiegend Wehrpflichtige, die in diesem »gerechten« Krieg Leben und Gesundheit für ihr Land riskierten und so den amerikanischen Patriotismus verkörperten. Man bezeichnete die Armee ganz selbstverständlich als » our army« , weil sie ja aus normalen Amerikanern bestand. Was außerdem bedeutete, dass nach dem Krieg fast alle Soldaten an ihr Vorkriegsleben
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