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Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)

Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)

Titel: Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geert Mak
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Vergangenheit, die Millionen GIs aus dem Zweiten Weltkrieg sind fast alle von der Bühne abgetreten, und die obdachlosen und bettelnden Vietnamveteranen übersieht man lieber. Außerdem wird Krieg immer abstrakter und in gewisser Weise auch einfacher: Mit einer bewaffneten Drohne kann der »Pilot« von einer Bodenstation in Arizona oder Afghanistan aus mehr oder weniger präzise Luftschläge ausführen, ohne selbst ein Risiko einzugehen. Auch dies vermittelt vielen heutigen Amerikanern das Gefühl, dass Krieg eine sinnvolle und akzeptable Alternative zur Politik sei. Die Soldaten und Veteranen wissen es besser, aber wer hört auf sie?
    Seit die Armee nicht mehr us, sondern them ist, versucht man die wachsende Kluft mit einer Fülle an patriotischen Symbolen zu verdecken. Vor allem in Neuengland war zu Beginn unserer Reise praktisch jedes Dorf mit Sternenbannern übersät, als wäre alle Tage Nationalfeiertag. Das Präsidentenamt war als bürgerliches Amt gedacht, ein Zivilist sollte an der Spitze der Nation stehen. Heute ist der Präsident für viele erst dann glaubwürdig, wenn er mit Verve die Rolle des Oberkommandierenden spielt.
    Die wenigen hunderttausend Soldaten im Kriegseinsatz – darunter besonders viele Amerikaner aus den armen und ärmsten Schichten – werden bei jeder Gelegenheit in den höchsten Tönen gepriesen. Sie dienen als der lebendige Beweis dafür, dass die Vereinigten Staaten immer noch ein Land sind, für das es sich zu sterben lohnt. Bei Begräbnissen von Gefallenen sind nicht selten Hunderte von Menschen auf den Straßen, um dem Helden oder der Heldin die letzte Ehre zu erweisen. Supporting the troops ist eine teure Pflicht. Nach einer Gallup-Umfrage von 2010 meinen nur 7 Prozent der Amerikaner, die Streitkräfte seien »stärker als nötig«. 93 Prozent der Amerikaner sind also der Ansicht, der gewaltige militärische Vorsprung ihres Landes müsse erhalten bleiben. Und ein Politiker, der auch nur die geringste Kritik an der Interventionspolitik äußert, wird unverzüglich an den Pranger gestellt: Appeaser! Isolationist! Sissy!
    Die patriotischen Phrasen, die Symbole, die Opfer – all das bindet die auseinanderdriftenden Teile der gespaltenen Nation wieder enger zusammen. Und je heftiger die inneren Spannungen, desto wichtiger wird die vorgestellte Gemeinschaft. Ein Mahnmal mit Tausenden von weißen Kreuzen stört da natürlich nur.
    Die Vereinigten Staaten sind militärisch nach wie vor das mächtigste Land der Erde. Sie besitzen das größte Arsenal an strategischen Waffen. Die Marine verfügt über elf Flugzeugträgerkampfgruppen, zu denen jeweils außer einem Flugzeugträger und seinem Carrier Air Wing mit 60 bis 85 Flugzeugen zwei Lenkwaffenkreuzer, zwei bis drei Lenkwaffenzerstörer, eine Fregatte, zwei Jagd-U-Boote und ein Trossschiff gehören; alle Einheiten einer Carrier Strike Group zusammen haben etwa 7500 bis 8000 Mann Besatzung. Diese gewaltigen schwimmenden Stützpunkte können schnell überall auf der Welt eingesetzt werden; andere Militärmächte besitzen höchstens eine solche Gruppe. Außerdem haben die Vereinigten Staaten schätzungsweise etwa tausend Militärbasen in anderen Ländern; die genaue Anzahl ist geheim, in vielen Fällen auch die Größe und die exakte Lage.
    Würden die nächsten zwölf Länder auf der militärischen Weltrangliste ihre Kräfte bündeln, wären die Vereinigten Staaten nach Einschätzung von Experten immer noch die stärkste Militärmacht. Dennoch lebt das Land nun schon seit sieben Jahrzehnten, genauer gesagt seit Ende 1941, fast ständig im Kriegszustand – und in Angst. Der Sieg von 1945 brachte keinen wirklichen Frieden; ein Gefühl der Unsicherheit blieb weit verbreitet. Jeder bewaffnete Konflikt in anderen Teilen der Welt wird als Alarmsignal verstanden.
    Wenn man von der nuklearen Bedrohung absieht, ist diese permanente Furcht kaum nachvollziehbar, vor allem da die geographisch-strategische Lage der Vereinigten Staaten, zwischen zwei Ozeanen, außerordentlich günstig ist. Manche Historiker glauben, der japanische Angriff auf Pearl Harbor im Dezember 1941 und sechzig Jahre später die Anschläge vom 11. September 2001 würden gerade deshalb als so traumatische Ereignisse empfunden. Plötzlich stellte sich heraus, dass man doch innerhalb der Reichweite äußerer Feinde lebte.
    Andere meinen, die Amerikaner hätten wegen der günstigen geographisch-strategischen Lage ihres Landes übertriebene Sicherheitserwartungen entwickelt. Viele

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