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Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)

Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)

Titel: Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geert Mak
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Politiker und Bürger hätten das Gefühl, dass diese große und »einzigartige« Nation nicht nur keinen Angriff, sondern auch keinerlei Drohung zu dulden brauche. Nicht wenige halten Präventivkriege, das Aussetzen von Verträgen und Grundrechten oder die Einschränkung bürgerlicher Freiheiten für erlaubt, wenn ihnen die nationale Sicherheit in irgendeiner Weise gefährdet erscheint.
    Nun hatten die Vereinigten Staaten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts tatsächlich strategische Gründe dafür, einen riesigen Militärapparat zu unterhalten, auch wenn meistens nur von Sicherheit, Freiheit und Demokratie die Rede war. Der Diplomat George Kennan drückte es 1948 in einem Memorandum für seine Vorgesetzten im State Department bemerkenswert offen aus: »[…] wir verfügen über 50 % des Reichtums dieser Welt, unsere Bevölkerung beträgt jedoch lediglich 6,3 % der Weltbevölkerung […] Unsere wichtigste Aufgabe in der nächsten Zeit wird sein, ein Muster von Beziehungen auszudenken, das es uns ermöglichen wird, diese Ungleichheit aufrechtzuerhalten, ohne dadurch unsere nationale Sicherheit zu gefährden.« Kennan dachte dabei vor allem an diplomatische Mittel. Doch die meisten amerikanischen Politiker glaubten, der Sonderstatus des Landes könne hauptsächlich durch ein starkes Militär erhalten werden.
    So entwickelte sich eine besondere Form militärischer Machtausübung. Die permanente Anwesenheit amerikanischer Streitkräfte auf Hunderten von Stützpunkten weltweit und die klar erkennbare Bereitschaft zu offenen oder verdeckten militärischen Interventionen sollten die internationale Stabilität sichern, den Vereinigten Staaten den Zugang zu Märkten und Ressourcen garantieren und ihren Einfluss stärken.
    In Japan, Südkorea und Indonesien, in einigen Gebieten des Nahen Ostens und Westeuropas funktionierte diese Strategie. In anderen Teilen der Welt, zum Beispiel in Frankreich, vor allem aber in Kuba und anderen lateinamerikanischen Ländern, in Vietnam, später im Irak, in Afghanistan und in Pakistan führte diese Politik zu zweifelhaften bis katastrophalen Ergebnissen.
    Eine Abrüstung, wie sie früher nach Beendigung eines Krieges die Regel war, fand nach 1945 nicht statt. Schon im Herbst 1950 kämpften amerikanische Truppen in Korea. Der Verteidigungsetat vervielfachte sich, er wurde von 13 Milliarden Dollar im Jahr 1951 auf 50 Milliarden im Jahr 1953 erhöht, das nukleare Arsenal im gleichen Zeitraum von 300 auf 1300 Bomben vergrößert.
    Als China im Oktober 1950 auf der Seite Nordkoreas in den Krieg eintrat und die UN-Truppen immer weiter zurückgedrängt wurden, bat General Douglas MacArthur Präsident Harry S. Truman sogar um die Zustimmung zum Einsatz von Atomwaffen gegen militärische Ziele. Der Stabschef der Luftwaffe, General Hoyt S. Vandenberg, ging noch einen Schritt weiter: Warum nicht ein atomarer Präventivschlag gegen die Sowjetunion? Truman lehnte beides ab. »Ich brachte es nicht über mich, das Abschlachten von fünfundzwanzig Millionen Nichtkombattanten zu befehlen«, schrieb er in seinen Erinnerungen. »Ich konnte einfach nicht den Befehl zum Beginn des Dritten Weltkriegs geben.«
    Nach dem Zweiten Weltkrieg entstand vor allem in den Vereinigten Staaten ein militärisch-industrieller Komplex, ein mächtiges Bündnis aus Rüstungsunternehmen und ihrer Lobby sowie Militärs, Verwaltungsleuten und Politikern, das seinen Einfluss, seine finanziellen Mittel und seine Privilegien einer Atmosphäre permanenter Unsicherheit verdankt. Es ist ein selbsterhaltendes System, das »Steuergelder in Aufträge, Gewinne, Wahlkampfspenden und Stimmen umsetzt«, wie es der Militärhistoriker und ehemalige West-Point-Dozent Andrew Bacevich formuliert. Think tanks , Fernsehsender und Lobbygruppen mästen dieses Monstrum, indem sie der Öffentlichkeit ständig neue Bedrohungen und anschließend die selbst erdachten – natürlich militärischen – Reaktionen auf diese Gefahren präsentieren. So wächst es immer weiter.
    Steinbeck erkannte 1960 noch nicht, in welche Richtung sich der Militärapparat seines Landes entwickelte. »Es ist merkwürdig, wie gern die Amerikaner marschieren, wenn sie nicht müssen«, spöttelt er in Amerika und die Amerikaner , dagegen würden sie klagen und murren, wenn sie zum Marschieren gezwungen werden. Er beschreibt die Streitkräfte als eine Armee aus »verhältnismäßig wenigen Berufssoldaten« und – im Kriegsfall – einer Vielzahl von »Milizsoldaten«, die

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