Amore macchiato: Roman (German Edition)
Schüchternheit von vorgestern ist sofort wieder da.
Während ich noch sprachlos und mit heißen Wangen hin und her überlege, was ich darauf sagen könnte, geht Riccardo zurück zu seinem Wagen und wühlt geräuschvoll im Kofferraum. Er kommt mit einer Angelrute, dem mir bereits bekannten blauen Eimer und einer Tasche zurück, die er mir reicht.
»Da ist eine Picknickdecke drin und, ich glaube, sogar ein Flaschenöffner«, sagt er.
Froh über den Szenenwechsel, finde ich in der schmuddeligen, vom Salzwasser hart gewordenen Tasche neben der Decke noch eine ungeöffnete Flasche Wasser, ein Feuerzeug und eine zerknautschte Packung Kekse. Wie eine brave Hausfrau mache ich mich daran, den Tisch zu decken, indem ich das Tuch auf dem Sand ausbreite und unsere Habseligkeiten darauf verteile.
Riccardo hat sich ein paar Meter weiter auf einen mannshohen, halb im Wasser liegenden Felsen gesetzt und bereits eine Angelschnur ins Meer geworfen. Ich gieße uns zwei Plastikbecher mit dem phantastischen sardischen Rotwein ein und setze mich ganz leise neben ihn, um den Angler samt den vorbeiziehenden Fischen nicht zu stören.
Schweigend prosten wir uns zu und nippen wortlos an unseren Bechern.
Im Hafen von Olbia gehen inzwischen die ersten Lichter an. Ich schaue in die Ferne und genieße wie hypnotisiert Riccardos Nähe. Ich könnte für immer so dasitzen.
Leichter Wind kommt auf, sodass ich mir verstohlen die fröstelnden Oberarme reibe. Meine Jacke ist in meinem Auto geblieben, und das ist weit weg.
Riccardo verkeilt seine Angel mit einem Stein an dem Fels, auf dem wir sitzen, nimmt seinen Pullover ab, den er locker über die Schultern gehängt hatte, und breitet ihn sorgfältig über meinen Rücken. Seine Hände streifen meine Arme und bleiben dort liegen. Ich nehme seine Hand.
Wir blicken uns für einen Moment in die Augen.
Es folgt ein Kuss, der mich alles um mich herum vergessen lässt. Ich kann Riccardo riechen und schmecken und fühlen, ich nehme den Wind und die Stille und die Stadt in der Ferne wahr und bin dabei dennoch wie weggetreten. Unsere Küsse sind aufregend und fühlen sich gleichzeitig so selbstverständlich an, als dürfte es zwischen uns beiden nichts anderes geben.
Riccardo fährt mir mit den Händen durch die Haare und zieht mich enger zu sich heran. Ich küsse seinen Hals, die Stelle hinter seinem Ohr und vergrabe mein Gesicht an seiner Schulter.
»Es hat einer angebissen«, flüstert Riccardo.
»Wie bitte?«, hauche ich atemlos zurück.
»Ich habe einen Fisch an der Angel«, antwortet er.
Meint er mich? Während ich noch überrascht überlege, ob man diesen Ausdruck auch im Italienischen benutzt, hat Riccardo sich von mir abgewandt und macht sich an der Angel zu schaffen, deren Schnur heftig auf und ab wippt. Er nimmt die Angel in beide Hände, stützt das Ende der Rute mit dem Fuß auf dem Fels ab und dreht an einem kleinen Rädchen an der Seite der Angel.
Mit etwas Mühe zerrt er einen heftig zappelnden Fisch aus dem Wasser und fährt die Angelschnur weiter ein. Das arme Tier hängt jetzt höchstens einen Meter entfernt vor unseren Köpfen und kämpft um sein Leben.
»Soll ich?«, fragt Riccardo leise.
»Was?«
»Die Dorade abnehmen, erschlagen, aufschlitzen und ausnehmen? Dann Holz sammeln, ein Feuer machen, sie braten und dir in circa einer Stunde ganz frisch servieren?«, rattert er herunter.
Ich schüttele den Kopf. »Nein«, sage ich und muss lachen. »Nein, wirklich nicht«, flüstere ich.
In diesem Moment schlägt der an der Schnur hängende Fisch einen Haken, dreht sich aus eigener Kraft um die eigene Achse – und ist frei. Mit einem Platschen klatscht er zurück ins kühle Nass und schwimmt aufgeregt davon.
»Gehorsames Tier«, nickt Riccardo staunend, »dass sich einer so vom Haken befreit, passiert höchst selten.«
»Gönnen wir ihm den schönen Abend«, meine ich friedfertig.
»Unbedingt«, schmunzelt Riccardo, verstaut die Angel neben sich und legt seine Hand zärtlich in meinen Nacken. »Ich habe jetzt wirklich Besseres zu tun, als mich mit dem Ausnehmen von Doraden zu befassen.«
Ich kuschele mich an ihn, während Riccardo sanft mit beiden Händen meinen Rücken entlangfährt und sie mir unter meiner Bluse auf die Taille schiebt. Seine warmen Hände auf meiner Haut jagen mir abwechselnd Blitze und Kälteschauer durch den Bauch, während ich mich langsam wie suchend unter seinem Hemd über seine Haut taste, als wolle ich mir jeden Quadratzentimeter für immer
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