Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anastasija 06 - Widrige Umstände

Anastasija 06 - Widrige Umstände

Titel: Anastasija 06 - Widrige Umstände Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
Vom Netzwerk:
am Fall der Vergewaltigung von Natascha Kowaljowa, von Interpol und von vielem anderen . . .
    Auf dem Rückweg vom Chef schaute Gordejew bei Nastja vorbei. Sie saß über den Filatowa-Papieren, ganz darin vertieft, in deren Logik einzudringen.
    »Wie fühlst du dich, Nastenka?«
    Nastja zuckte zusammen. Mit diesem Kosenamen bedachte Knüppelchen sie höchst selten, nur in besonders heiklen oder verantwortungsvollen Momenten.
    »Gut. Warum, sehe ich schlecht aus?«
    »Nein, nein.« Gordejew schwieg. »In unserer Nähe schlägt ein großer Hecht mächtig mit dem Schwanz. Ich kann ihn noch nicht sehen, aber er macht ziemliche Wellen. Wir werden einen Blinker auswerfen.«
    »Geht es um uns beide? Oder um uns alle?«
    »Genau das werden wir herausfinden. Schließ erst mal die Tür ab, koch uns einen Kaffee, und dann überlegen wir gemeinsam.«
    Der Auftraggeber betrachtete lange die drei grünen Mappen, die vor ihm lagen. Sie enthielten Exemplare der Endfassung des Manuskripts der Filatowa. Das war’s. Dieses Buch würde nie erscheinen, niemand würde es je lesen. Wie viel Nerven hatte es ihn gekostet, wie viel Kraft, bis diese drei Mappen hier vor ihm auf dem Tisch lagen!
    An dem Tag, als dem Auftraggeber klar geworden war, dass Irina die Wahrheit wusste, hatte er noch gehofft, sie hätte ihm verziehen. Schließlich hatte sie darüber gesprochen, ihr Buch gegen Honorar zu veröffentlichen! Er hatte ja nicht ahnen können, dass es ausgerechnet um dieses Buch ging. Noch am selben Abend hatte er alle seine Beziehungen in der Verlagswelt mobilisiert, Irina als außergewöhnlich klugen Kopf und flotte Feder angepriesen (er wusste, wovon er sprach!) und sich Hilfe bei der Veröffentlichung zusichern lassen. Er hatte gedacht, wenn sie am nächsten Tag das Manuskript brachte, würde er sie mit der freudigen Nachricht überraschen, und damit wäre der Schritt zur Versöhnung getan. Aber sie kam nicht. Sie schickte einen Doktoranden mit dem Manuskript, angeblich hatte sie viel zu tun. Dann las er, der Auftraggeber, die erste Seite und spürte den Boden unter seinen Füßen wegrutschen. Er verlor keinen Augenblick und fuhr sofort ins Institut.
    »Warum tun Sie das?«, fragte er.
    »Warum denn nicht?« Irina zuckte die Achseln. »Ich habe ein Buch geschrieben, warum soll ich es nicht veröffentlichen? Ich brauche für die Habilitation eine Monographie. Was haben Sie denn dagegen?«
    »Irina, ich bitte Sie, was immer Sie wollen . . . Wie viel wollen Sie?«
    »Geld?« Sie wunderte sich kaum, als hätte sie dieses Gespräch erwartet. »Sie zahlen ja doch nicht.« Sie verzog spöttisch die Lippen.
    »Ich werde zahlen. Wie viel?«
    »Ich glaube Ihnen nicht. Sie sind geizig. Und außerdem, so viel Geld haben Sie nicht. Was vor fünf Jahren zehntausend gekostet hat, kostet jetzt eine Million. Haben Sie eine Million?«
    »Das spielt keine Rolle, ich werde sie auftreiben.« Das Herz des Auftraggebers schlug schwer und unregelmäßig. »Sie wollen eine Million?«
    »Nein. Von Ihnen«, sie betonte das Wort, »will ich gar nichts. Sie haben mich einmal betrogen, ich kann Ihnen nicht mehr glauben. Dagegen spricht auch der gesunde Menschenverstand.«
    »Welcher gesunde Menschenverstand?«
    »Damals hatten Sie Geld, weil Sie Schmiergelder genommen haben. Das haben Sie doch, nicht wahr? Aber Sie waren geizig. Heute bekommen Sie keine Schmiergelder mehr – wofür auch? Die alten Reserven haben Sie längst aufgebraucht für die Einrichtung Ihrer neuen Wohnung. Wo wollen Sie eine Million hernehmen?« Wieder zitterten ihre Lippen, als amüsiere sie das Wort Million. »Auf die altbewährte Weise – durch Schmiergelder? Von wem? Selbst wenn Sie eine Idee hätten, wofür Sie Schmiergelder verlangen könnten, würde man Sie fassen, noch ehe Sie die ersten Hunderttausend zusammen hätten. Heutzutage wird Korruption sehr ernst genommen, das wissen Sie besser als jeder andere.«
    »Dass Sie sich nicht schämen, Irina! Ich habe nie Schmiergelder genommen!« Er versuchte, empört zu klingen, allerdings nicht sehr überzeugend.
    »Ach, wirklich? Soll ich Ihnen die Namen der Untersuchungsführer nennen, die mit Ihrem Segen aufgrund von gefälschten Bescheinigungen über unheilbare Erkrankungen der Beschuldigten Strafverfahren eingestellt und den Lohn mit Ihnen geteilt haben? Soll ich? Drushko, Maslinski, Galaktionow, Koslow. Nedowessow wollte nicht mitspielen und hat ein hohes Tier vor Gericht gestellt, und dafür haben Sie ihn entlassen. So war es doch,

Weitere Kostenlose Bücher