Anastasija 06 - Widrige Umstände
ich zuversichtlich, dass ich ein Mittel finden werde, ihn zu stoppen. Wir haben weder die Kraft noch die Zeit, danach selbst zu suchen. Aber vergessen wir nicht, wir reden von einem Mann der Politik. Und das bedeutet, dass er Feinde hat oder, wenn du willst, politische Gegner, und die haben sich dieses Mittel beizeiten besorgt und warten nur auf den passenden Moment, es einzusetzen. Einfach so werden sie uns ihre Waffe nicht überlassen, und mit Gewalt können wir sie uns nicht holen, vor uns hat niemand mehr Angst. Bleibt nur ein Ausweg. Ich hoffe, du hast mich verstanden. Ein Mann ist garantiert im Besitz der Waffe, die wir gegen Kowaljow brauchen: Er arbeitet im Apparat des Parlaments und heißt Boris Wassiljewitsch Rudnik.«
Gordejew hatte nicht zu viel versprochen. Als Nastja über die von ihm erhaltene Telefonnummer Jelena Konowalowa ausfindig gemacht hatte, war diese sofort bereit, ihr zu helfen, und machte ihr sogar Mut, denn Nastja war es ein wenig peinlich, dass sie keine rechte Vorstellung hatte, wonach sie eigentlich suchte.
»Sehen Sie, Jelena, ich habe eine Zahl, aber ich weiß nicht, was sie bedeutet. Ich kann es nur vermuten. Ich glaube, es ist die Zahl der registrierten Verbrechen. Aber ich weiß nicht einmal, in welcher Region.«
»Ist sie groß? Wie viele Stellen? Versuchen wir erst einmal zu bestimmen, ob es sich um eine Stadt handelt oder um ein Gebiet.«
Nastja diktierte alle Ziffern aus der Zeile »R« für acht Jahre.
»Zweifellos ein Gebiet«, erklärte Jelena überzeugt. »Die einzigen Städte mit so hohen Zahlen sind Moskau und Sankt Petersburg, aber deren Kennziffern weiß ich auswendig, das sind sie nicht. Warten Sie einen Augenblick. Ich habe die Daten der letzten fünf Jahre für alle Gebiete Russlands im Computer, ich sehe gleich mal nach.«
Den Hörer ans Ohr gepresst, goss Nastja aus einer Karaffe Wasser in ihren Becher und machte sich einen Kaffee. Nach einigen Minuten kam Jelena wieder ans Telefon.
»Nastja, für siebenundachtzig, achtundachtzig, neunundachtzig und neunzig stimmen die Zahlen überein. Gebiet Ensk. Wollen Sie es genau wissen, oder reicht das?«
Vor Überraschung war Nastja so zusammengezuckt, dass sie etwas Kaffee auf den Tisch vergoss. Sie glaubte sich verhört zu haben.
»Ensk?« Sie war fassungslos.
»Was ist denn?«, fragte Jelena besorgt. »Stimmt etwas nicht? Warten Sie, ich überprüfe noch die Jahre davor.«
»Dauert das lange?«
Die verbrühte Hand schmerzte, aber Nastja spürte es nicht. Das Feuer der Ungeduld loderte in ihrem Köpf.
»Dazu muss ich ins Archiv, die Statistiken der früheren Jahre liegen dort. Etwa fünfzehn, zwanzig Minuten.«
»Jelena«, Nastjas Stimme klang flehend, »es ist mir so peinlich, Sie zu bemühen. Aber wenn Sie wüssten, wie wichtig das für mich ist!«
»Nicht doch, Nastja, nicht der Rede wert. Natürlich gehe ich runter.«
Zwanzig Minuten später wusste Nastja, dass sie die Daten für das Gebiet Ensk in der Hand hielt. Jelena war so freundlich gewesen, ihr noch einige andere Zahlen herauszusuchen, das war weniger schwierig gewesen, denn nun wussten sie zumindest, um welches Gebiet es ging. Nach einer weiteren Stunde hatte das unbeschriftete Blatt Nastja alle seine Geheimnisse enthüllt.
Jura Korotkow küsste Ljudmila zärtlich auf die Schulter und zog sich an. Er trennte sich nur ungern von ihr, aber er konnte nicht länger bleiben.
Als er seine Hose angezogen hatte, rückte er den Sessel beiseite und setzte sich neben das Sofa, auf dem die Frau lag.
»Hör mal, Ljuda«, begann er unvermittelt, »bist du sicher, dass Irina nicht mit Pawlow geschlafen hat?«
Ljudmila richtete sich jäh auf.
»Irina? Mit Pawlow? Du spinnst wohl! Solchen Unsinn kann nur jemand vermuten, der sie überhaupt nicht kennt.«
»Na ja, ich kannte sie ja auch nicht«, bemerkte Korotkow sanft. »Verstehst du, Pawlow behauptet, sie seien intim gewesen, er habe sich sogar scheiden lassen wollen.«
»Blödsinn«, sagte Ljudmila überzeugt. »Vergiss es.«
»Er sagt, er habe Irina sehr geliebt«, fuhr Korotkow hartnäckig fort. »Warum sollte er lügen?«
»Na klar!«, fauchte Ljudmila, stand auf und wickelte das Laken um sich wie einen indischen Sari. »Er hat sie geliebt! Ich war gestern im Ministerium, und da habe ich ihn mit einer Schnalle gesehen. Wie er die angeglotzt hat!« Sie verdrehte viel sagend die Augen. »Irina ist kaum eine Woche unter der Erde, und er wäre mit dieser Stute am liebsten auf der Stelle in seiner Box
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