Ankwin - Tod eines Kriegers (German Edition)
verstand man die Stimme.
»Hier, ich spreche für ihn! Hohes Gericht, hier!«
Ankwin konnte trotz seiner erhöhten Position nicht genau erkennen, wer es war. Der Stimme nach musste es eine Frau sein. Ein paar der Stadtwachen, die das Volk zurückhielten, drangen ein Stück in die Zuschauer, um der Freiwilligen Platz zu machen. Endlich war die Frau auf dem Platz angekommen. Die Soldaten schlossen hinter ihr wieder die Reihe. Ankwin traute seinen Augen nicht.
Die Frau, die jetzt auf die Sanduhr zuging, während sie ihr durcheinandergeratenes Haar und ihr Gewand richtete, war niemand anderes als die wunderschöne Heilernovizin. Als sie bei dem Zeitglas angekommen war, erhob Bungad seine Stimme.
»Wie ist Euer Name, junge Heilerin.«
»Hohes Gericht, ich heiße Lavielle. Ich bin noch keine Heilerin, wie Ihr sicher wisst, und dennoch eine Bürgerin dieser Stadt.« Sie klang sehr selbstbewusst, hatte sie doch die kleine Anspielung des Richters auf ihre Unerfahrenheit gut pariert.
Unter den Zuschauern entstand Gemurmel und auch viele der hohen Beamten schauten sehr skeptisch. Nur Brinthardt, der hohe Ankläger, hatte ein leichtes und eher belustigtes Lächeln auf den Lippen.
Bungad hob seine Linke und schaute streng. Sogleich kehrte wieder Ruhe ein. Er wandte sich wieder der jungen Frau zu.
»Warum wollt Ihr, Lavielle, für diesen Mann sprechen, ein junges Weib ohne Erfahrung und Ehre?«
»Hohes Gericht. Es gibt sicherlich einen Grund, warum der Mann nicht spricht, außerdem sind seine Verletzungen noch nicht richtig versorgt worden, was für eine voreingenommene unzureichende Behandlung spricht. Der Schwur, den ich bald leisten werde, beinhaltet die Pflicht, Hilfsbedürftigen zu helfen. Nun, ...«, sie zeigte auf Garock. »... dieser Mann bedarf der Hilfe. Und, mit Verlaub, hohes Gericht, Erfahrung kann man nur durch Handeln erlangen und Ehre nur durch Handeln nach seinem Herzen. Wie sollte ich mich also je des Amtes einer Heilerin würdig erweisen, wenn ich niemals handelte, geschweige denn niemals nach meinem Herzen handelte?«
Aufrecht stand sie da und breitbeinig, wie eine unanfechtbare Instanz, einer stolzen Rose gleich, die sich ihrer Schönheit aber auch ihrer Dornen durchaus bewusst war. Ankwin imponierte diese Frau, sie war nicht nur wunderschön, nein, sie hatte auch Grundsätze, ein Mundwerk mit Widerhaken und ein Ziel vor Augen.
»Wohl gesprochen, mein Kind. Mich dünkt, der hohe Brinthardt wird seine Freude an Euch haben. So sei es.«, Bungad stieß mit dem Stock auf den Boden.
»Geiwan, zeigt dieser frischgebackenen Fürsprecherin ihren Platz im hohen Gericht. Gerichtsdiener! Die Binde.«
Der Herold erhob sich mit stoischer Miene von seinem Platz und wies mit seiner Hand sehr förmlich darauf. Lavielles Selbstbewusstsein flackerte für einen Moment, doch dann schritt sie gefasst auf ihren Platz zu und nahm ihn ein.
Der Gerichtsdiener war mittlerweile hinter Bungad getreten und hielt ein braunes Baumwolltuch in Händen, wie es die Schäfer als Schal trugen. Mit geübten Bewegungen band er es um den massigen Kopf des Richters, sodass es die Augen bedeckte. Wieder erhob Bungad seine mächtige Stimme.
»So wie es Gesetz ist in unserer schönen Stadt, wird nun der Herr der Anklage, der hohe Brinthardt, den Prozess eröffnen.« Wieder stieß er mit dem Richtstock auf den steinernen Boden.
Das bis eben noch leicht amüsierte Gesicht des Anklägers verwandelte sich sofort in eine eisige Miene. Er hüstelte kurz in seine rechte Faust und erhob sich dann schwungvoll.
»Hohes Gericht!« Seine Stimme war sonor und angenehm und in ihr schwang ein machtgewohnter Unterton. »Dieser Mann wurde beim Mord an fünf Schaustellern ertappt. Das können zehn Soldaten bezeugen. Zwei davon sind so schwer verletzt, dass noch nicht klar ist, ob sie es überstehen oder je wieder ihr Brot verdienen können. Als die Patrouille ihn an dem Massaker hindern wollte, wurden zwei Soldaten von ihm getötet. Der Hauptmann selbst ließ sein Leben, als sich der Mörder bereits ergeben hatte und hinterhältig die Situation ausnutzte, um seine Mordlust weiter zu befriedigen. Auf dem Weg hierher unternahm dieser Mörder mehrere Fluchtversuche und es ist nur dem tapferen Handeln der Patrouille zu verdanken, die dafür mit weiteren Verletzungen bezahlte, dass dieser Mann nun hier in Brakenburg vor unserem hohen Gericht steht.
Er ist äußerst gefährlich und bereit, alles zu töten, was ihm unter die Finger kommt. Er ist ein wildes
Weitere Kostenlose Bücher